Band inszeniert sich als KZ-Häftlinge: Die abgebrühte Marketingstrategie von Rammstein

Blut, Schweiß und Tränen – wenn Till Lindemann und seine oft in verspielt-totalitaristischer Geste daherkommende Band Rammstein auftreten, muss man darauf gefasst sein, dass es feucht wird. Das gilt zunächst einmal in künstlerischer Hinsicht, denn so brachial-erdig die Gesamterscheinung Rammstein auch sein mag, handelt es sich trotz des mitgeschleppten Ballastes doch um eine fein ausgearbeitete Bühnen- und Symbolkomposition, die nicht zuletzt auf dem Einsatz von Pyrotechnik und Flüssigkeiten beruht. Anheizen und Löschen gewissermaßen.

Eine Provokation, was sonst?

In einem kurzen Videoclip, mit dem Rammstein im Internet ein neues Album bewirbt, ist Lindemann mit blutverschmiertem Gesicht in KZ-häftlingsähnlicher Kleidung zu sehen, er und die Bandmitglieder tragen eine Schlinge um den Hals. Eine Provokation, was sonst? Die Rammsteiner inszenieren sich als Nazi-Opfer, die vor der Hinrichtung stehen. Das wird von vielen als unerträgliche Anmaßung empfunden. „Wie Rammstein hier das Leid und die Ermordung von Millionen zu Entertainmentzwecken missbraucht, ist frivol und abstoßend“, zitiert die Bild-Zeitung Charlotte Knobloch, die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden.

Das kann man so sehen, die Band äußert sich nicht weiter zu den Vorwürfen. Das lärmende Schweigen entspricht der abgebrühten Vermarktungsstrategie, die Lindemann, der auch als bildender Künstler auftritt, seit jeher mit radikaler Selbstdarstellung verknüpft. Der Mitte der 90er-Jahre gegründete Band mit intensiver Punk- und Metal-Vergangenheit wurde häufig der Vorwurf gemacht, eine faschistische Ästhetik zu bedienen. Das nun debattierte Video verhält sich dazu diametral entgegengesetzt.

Anzeige | Zum Weiterlesen scrollen

Wäre die Rammstein-Pose eine Sequenz aus einem Film von Steven Spielberg, käme kaum jemand auf die Idee, am aufklärerischen Gehalt des Gesehenen zu zweifeln. Die Skepsis gegenüber Rammstein ist allerdings angebracht. Historische Aufklärung gehörte bislang eher nicht zu den hervorragenden Motiven der Band.