Hollands Bauern im Kampf gegen die Regierung: Ziehen ihre deutsche Kollegen nach?
Sie wollen Flughäfen besetzen, die Polizei schießt auf Traktoren. Der Streit um Öko-Landwirtschaft eskaliert in den Niederlanden. Was Deutschland bevorsteht.

Heuballen brennen, eine dicke schwarze Rauchwolke bildet sich. Transparente fordern mehr Anerkennung für den Bauernberuf, man hat offensichtlich Angst um die berufliche Zukunft. So protestieren niederländische Bauern gegen neue Auflagen der Regierung, die den Schadstoff-Ausstoß vor allem in der Tierproduktion schnellstens reduzieren will. Die Bauern reagieren mit kilometerweiten Traktorenketten und Straßensperren aus Mist. Ihnen gegenüber ist die Staatsmacht positioniert. Polizisten haben in den vergangenen Tagen Warnschüsse abgegeben und zum Teil auch auf Traktoren geschossen. Erste ähnliche Protestaktionen erreichen Deutschland. Eskaliert die Lage auch hierzulande?
Der Deutsche Bauernverband, die größte Berufsvertretung der Landwirte, fühlt mit den Kollegen westlich der Maas. „Wir nehmen unter den Deutschen Bauern eine sehr große Solidarität mit den niederländischen Berufskollegen wahr. Auch der Deutsche Bauernverband steht an deren Seite“, sagt Bernhard Krüsken der Berliner Zeitung. Der Generalsekretär fügt jedoch hinzu, dass er gewalttätige Aktionen grundsätzlich ablehnt.
Ähnlich sieht die Sachlage auch Gero Hocker, Sprecher für Landwirtschaft und Ernährung der FDP-Bundestagsfraktion. Auch er lehnt Aktionen ab, die über die Grenze des Legalen gehen. Er warnt jedoch: „Der Staat sollte nicht wie in den Niederlanden die Bauern mit solchen Plänen vor den Kopf stoßen. Schließlich gehört auch der Bauernberuf zu den systemrelevanten Jobs. Damit muss man sensibel umgehen.“
Dieses Bild der bauernproteste in Holland spricht seine eigene sprache. #DutchFarmers #dutchgp#boerenprotest #boereninopstand pic.twitter.com/uXx30riF10
— Lakhvir Chahal (@LakhvirChahal17) July 5, 2022
Ursprung der niederländischen „Boerenprotesten“ sind Regierungspläne mit dem Ziel, die Emissionen von Stickoxiden und Ammoniak bis 2030 um 50 Prozent zu senken. Dafür soll insbesondere die Viehzucht in Betrieben reduziert werden. Konkret: Die Zahl der Rinder, Schweine, Geflügel und Schafe muss drastisch reduziert werden. Nach Einschätzungen der Regierung in Den Haag droht fast 30 Prozent der Viehbauern aufgrund der neuen Gesetzgebung die Arbeitslosigkeit.
Die Personifizierung dieser Politik ist für viele Bauern die niederländische Umweltministerin Christianne van der Wal. Sie bekräftigte nach der Veröffentlichung der Regierungspläne, „dass nicht alle Landwirte ihren landwirtschaftlichen Betrieb weiterführen können.“ Ein wütender Mob von Landwirten zog daraufhin vor das Haus der Ministerin. Sie durchbrachen Polizeiketten, beschädigten Einsatzfahrzeuge, hinterließen ein Güllefass und forderten den Rücktritt van der Wals.
Drei Optionen: auf Bio umstellen, umsiedeln, aufgeben
Henk Staghouwer, Landwirtschaftsminister in Den Haag, fasste die nahe Zukunft der Bauern wie folgt zusammen: Farmer haben praktisch drei Optionen innerhalb der nächsten zehn Jahre. Umstellung auf einen Bio-Betrieb, eine Umsiedlung innerhalb des Landes, um die Richtlinien einzuhalten, oder die Einstellung der Produktion. Für viele Bauern eine Schocknachricht mit Nebenwirkungen.
Auch wenn die Gesetzgebung und Ausgangslage der Proteste in den Niederlanden nicht eins zu eins mit Deutschland vergleichbar sind, warnt der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands vor neuen Verordnungen, die besonders den landwirtschaftlichen Sektor treffen würden. „Bei Enteignungen und Zwangsstilllegungen würde es auch hier massive Proteste geben. Der wirtschaftliche Druck auf die Landwirte ist ohnehin enorm und wird durch weitere gesetzgeberische Einschränkungen weiter erhöht“, so Krüsken.
In Fragen der Ammoniak-Emissionen spielt besonders die EU-Kommission eine entscheidende Rolle. So werden Richtlinien für den Umgang mit Stickstoff-Ausstößen von Brüssel aus koordiniert.
Die Kommission plant mit dem Green Deal zusätzlich, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 zu halbieren. „Wenn die Vorgaben der EU-Kommission so umgesetzt werden, dann wird auch in vielen Regionen Deutschlands Landwirtschaft drastisch eingeschränkt und möglicherweise werden auch Betriebe ins Aus gedrängt“, kritisiert der Deutsche Bauernverband die Pläne der EU.
In der Tat protestierten am vergangenen Wochenende aus Solidarität mit den niederländischen Kollegen erste Bauernverbände in Baden-Württemberg, Niedersachsen, NRW, Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Weitere Kundgebungen sind für die kommenden Tage angekündigt. Am Freitag rufen Bauern erstmals nicht nur aus reiner Solidarität zur Demo gegen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf.
Der Grünenpolitiker wird sich anlässlich eines Betriebsbesuches im schwäbischen Eberstadt aufhalten. In Deutschland sind nicht ausschließlich Umweltauflagen zur Begrenzung von Ammoniak Reizthema zwischen Landwirten und Politik. In den vergangenen Tagen sorgte die Debatte des Moorschutzes für Streit zwischen den Bauern und Özdemir. Der Moorschutz ist eines der Prestigeprojekte des Landwirtschaftsministeriums in der Ampel-Koalition. Landwirte pochen dagegen auf ein Mitspracherecht in den anstehenden Klimaschutzmaßnahmen und befürchten „kalte Enteignungen“.