Beim Gassparen geht es nicht um Solidarität, es geht um unser Eigeninteresse
Habeck hat ungeschickt kommuniziert. Es geht nicht darum, dass Bürger durch niedrigere Zimmertemperatur „ihren Anteil leisten“, sondern um ihre Arbeitsplätze.

Robert Habeck hat einen Kommunikationsfehler gemacht. Das passiert dem Wirtschaftsminister eigentlich nie. Zugewandt, transparent, nahe am Menschen, so wird seine außergewöhnlich erfolgreiche Darlegung von Problemen und Lösungen zu Recht beschrieben.
Doch als es vergangene Woche darum ging, wie wir durch den Herbst und Winter kommen, falls Wladimir Putin nach dem Ende der routinemäßigen Wartung von Nord Stream 1 am 21. Juli das Gas nicht wieder fließen lässt, griff er daneben.
Habeck sagte, auch die Privathaushalte müssten beim Gassparen, so wie die Unternehmen, „ihren Anteil leisten“. Das aber fügt sich in das hier irreführende Narrativ der Solidarität und des Opferbringens, das in der Diskussion um das Gassparen vorherrscht. Es hört sich so an, als würden die Firmen ja bereits sparen, der Staat auch und daher – quasi damit es gerecht ist – wären nun auch die Bürger in der Pflicht. Jeder müsse eben seinen Anteil leisten und ein Stück vom Wärme-Kuchen abgeben.
Reicht das Gas für das Aufrechterhalten der Betriebe?
Doch darum geht es in diesem Falle gar nicht. Es geht nicht um eine wie auch immer geartete Solidarität zwischen Privatpersonen und Unternehmen, bei der rasch das Bild von gesichtslosen Fabriken und deren steinreichen Besitzern vor dem inneren Auge des Publikums aufzieht. Es geht nicht ums Frieren für Firmen. Es geht um die Frage, wie sehr viele Unternehmen in Deutschland wirtschaftlich überleben sollen, wenn sie ihre technischen Anlagen nicht mehr betreiben können, weil Gas fehlt. Die Frage ist nicht, ob es die Maschinen oder die Anteilseigner der Konzerne schön warm haben, sondern: Reicht das Gas für das Aufrechterhalten des Betriebs?
Denn was geschieht, wenn die Anlagen nicht mehr laufen? Dann fallen auch die Arbeitsplätze weg: gasbedingte Kündigung. In einigen Branchen, beispielsweise in der Chemieindustrie, lassen sich die Reaktionen in den hochhaushohen Tanks nicht mal kurz abschalten. Bei einem Gasausfall wird die Anlage auf Dauer untauglich. Selbst wenn irgendwann wieder mehr Gas fließen sollte oder ein anderer Energieträger als Ersatz gefunden wäre, die Firma wäre dann nicht mehr da.
Es geht um unser wirtschaftliches Überleben
Vergessen dürfen wir auch nicht, was viele dieser Unternehmen produzieren. Hier geht es nicht um Luxuskarossen oder Edelklamotten, sondern um Flaschen für Medikamente und Behältnisse für Lebensmittel. Ein kompletter Gas-Ausfall ruinierte die Glasindustrie.
Deshalb geht es beim Sparen von Gas in Privathaushalten nicht um Solidarität – sondern um unser aller wirtschaftliches Überleben. Es ist im ureigensten Interesse der Bürger, mitzuhelfen, dass Arbeitsplätze, von denen in Deutschland Millionen an der Energiezufuhr hängen, nicht verschwinden. Es sind nämlich ihre Arbeitsplätze und es sind die Medikamente und Nahrungsmittel für sie und ihre Kinder. Was bringt es, im Winter in einer Wohnung zu sitzen, die auf 26 Grad geheizt werden darf, die Bewohner aber keinen Job mehr haben, mit dem sie die vielfach teurere Gasrechnung begleichen könnten?
Typisch grün: Wenn es Probleme gibt nach Solidarität rufen
Habeck ist einem Reflex gefolgt, der bei Grünen verbreitet ist und damit in eine Falle getappt. Wenn es Probleme gibt, wird nach Solidarität gerufen. Doch diesmal funktioniert die Methode nicht. Wir können kein Gas von oben nach unten umverteilen, wenn es insgesamt zu wenig gibt. Außerdem stößt die Solidarität an ihre Grenzen, wenn die Menschen selbst zu wenig haben, zu wenig Wärme zum Beispiel. Nur eines kann dann Eigeninteresse schlagen: größeres Eigeninteresse.