Bericht: Amerikaner wollen beweisen, dass nicht der Westen hinter Nord-Stream-Anschlag steckt
Die Berichte über die Nord-Stream-Anschläge bewegen die internationale Presse. Eine Reaktion aus Polen.

Die zwei voneinander unabhängigen Berichte der New York Times und des Rechercheverbundes von ARD-Hauptstadtstudio, des ARD-Politikmagazins „Kontraste“, des SWR und Die Zeit über die möglichen Verursacher der Nord-Stream-Anschläge bewegen die internationale Presse. Laut eines Zeit-Textes soll auch Polen in den Anschlag involviert sein: Die vermeintlichen Verursacher des Anschlags sollen das Boot, mit dem der Sprengstoffanschlag auf die Nord-Stream-Pipelines verübt wurde, in Polen gemietet haben.
Eine Tag nach der Veröffentlichung der Berichte von Dienstag blieb es in Polen eher ruhig. Die Reaktionen fielen verhalten aus, während in Deutschland die beiden Anschlagstheorien, die sich zum Teil leicht widersprechen, auf ein großes Medienecho gestoßen sind. Die neuen Theorien zu den Anschlägen waren das Top-Thema in der Tagesschau, selbst Verteidigungsminister Pistorius hat sich zu den Berichten geäußert und spekuliert, dass nicht eine proukrainische Gruppe hinter den Anschlägen stecken könnte, wie es New York Times und Zeit nahelegen, sondern die Russen selbst. Es könnte sich um eine False-Flag-Operation handeln, so der Verteidigungsminister, also eine Aktion, die unter falscher westlicher oder ukrainischer Flagge inszeniert wurde, um die Öffentlichkeit zu irritieren.
Zweifel an den Thesen von Zeit und New York Times
Am Donnerstag nun hat die Gazeta Wyborcza einen Bericht publiziert, der sich mit dem New-York-Times- und dem Zeit-Text auseinandersetzt. Autor Bartosz T. Wieliński schreibt: „Es scheint so zu sein, dass die Amerikaner und ihre Verbündeten die Welt unbedingt davon überzeugen wollen, dass der Westen nicht hinter der Sabotage der Gaspipelines steckt.“ Dann heißt es weiter: „Die Angelegenheit ist ernst. Ein Angriff auf die Pipelines, die auf dem Grund der Ostsee liegen, könnte von Russland als casus belli betrachtet werden. Einerseits unterstützt die Nato die Ukraine, aber nur so weit, dass sie Russland nicht zu einem Dritten Weltkrieg provoziert. Russland hat zwar – aufgrund der eigenen Ohnmacht – die Lieferung von schweren Waffen an die Ukrainer, die Ermordung der Tochter des Kreml-Ideologen Alexander Dugin, hinter der Kiew stecken dürfte, und die ukrainischen Angriffe auf Luftwaffenstützpunkte auf der Krim und auf russischem Gebiet akzeptiert. Die Geduld hat jedoch ihre Grenzen. Und der Westen ist nicht daran interessiert, diese Grenzen auf die Probe zu stellen.“
Der polnische Autor fragt: Sind die Berichte der Zeit und der New York Times glaubwürdig? Er artikuliert seine Zweifel gegenüber der Stimmigkeit der Thesen. „Es ist sehr zweifelhaft, dass eine kleine Yacht mit ein paar Leuten an Bord in der Lage wäre, den Saboteuren wirksame Unterstützung zu leisten.“ Die Nord-Stream-Sprengung sei eine komplizierte Operation gewesen, man bräuchte spezielles Equipment und ein Boot, das die Position halten kann, um die Taucher zu unterstützen. Eine Yacht könne das nicht.
Außerdem: „Die Information, dass ‚Spuren von Sprengstoff‘ auf dem kleinen Tisch der Yacht entdeckt wurden, ist nicht sehr überzeugend.“ Daher unterstreicht der Autor, dass die Berichte darauf hinweisen, dass es sich um eine False-Flag-Operation handeln könnte. Jemand wollte vielleicht seine Spuren verwischen. Doch wer dieser „Jemand“ sein könnte, weiß bis heute niemand so genau. Beweise fehlen. Der Autor deutet nicht an, wen er für die Attentate für verantwortlich hält.
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