Umfrage zu Berliner Silvesterkrawallen: War gescheiterte Integration schuld?

Laut einer Exklusiv-Umfrage von Forsa gibt es große Unterschiede zwischen Anhängern von CDU und FDP, SPD und Grünen bei der Frage nach den Ursachen der Randale.

Nicht nur in die Luft, sondern auf Krankenwägen flogen an Silvester die Raketen in Berlin.
Nicht nur in die Luft, sondern auf Krankenwägen flogen an Silvester die Raketen in Berlin.dpa

Aus den Medien ist die Debatte über die Silvesterkrawalle verschwunden. Doch viele Menschen in der Stadt bewegt das Thema weiterhin. Wer auf politischen Diskussionsabenden in den Bezirken unterwegs ist, erlebt immer wieder Gespräche über die Gewalt gegen Rettungskräfte.

Dabei sind die Berliner in der Frage gespalten, ob der Hauptgrund für die Krawalle eine mangelnde Integration der Randalierer mit Migrationshintergrund war. Eine Umfrage von Forsa im Auftrag der Berliner Zeitung kommt zu dem Ergebnis, dass eine Mehrheit von 51 Prozent glaubt, „dass für die Ausschreitungen in der Silvesternacht in erster Linie eine mangelhafte Integrationspolitik verantwortlich ist“. 45 Prozent der Berliner glauben das nicht.

Doch während sich die Gesamtheit in zwei ähnlich große Lager trennt, sind die Verhältnisse unter den Anhängern der einzelnen Parteien ungleich. Wähler von CDU und AfD teilen die These ganz überwiegend. Bei den Anhängern beider Parteien sehen je 67 Prozent den Grund für die Ausschreitungen in erster Linie bei mangelnder Integration.

Bei den Wählern von Grünen und FDP ist die Lage nahezu spiegelverkehrt. Wähler, die den Grünen zuneigen, glauben zu 57 Prozent, dass die Angriffe auf Feuerwehr, Sanitäter und Polizei nicht vornehmlich auf eine gescheiterte Integration zurückzuführen seien; gut ein Drittel hält die Integrationsdefizite für maßgeblich. Und unter FDP-Anhängern ist dieses Verhältnis noch ausgeprägter. Fast zwei Drittel (64 Prozent) meinen, das die Integration keine Hauptrolle spiele; 34 Prozent sind nicht dieser Ansicht.

Bei Unterstützern von SPD und Linke ist eine Spaltung in zwei ungefähr gleich große Lager zu beobachten, wobei die Zustimmung knapp überwiegt. Unter SPD-Sympathisanten finden 49 Prozent, dass die Integration die zentrale Rolle spielt, 46 Prozent sehen das nicht so. Bei den Linke-Sympathisanten stimmen 48 Prozent der These zu, ebenfalls 46 teilen sie nicht.

Auf Anfrage der Berliner Zeitung erklärt Berlins CDU-Generalsekretär Stefan Evers: „Die Zahlen belegen, was wir von Anfang gesagt haben: Wir dürfen die Augen vor gescheiterter Integration in Berlin nicht verschließen.“ Die CDU setzt auf die bekannte Doppelstrategie: „Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um gerade junge Menschen mit Migrationshintergrund für unsere Gesellschaft zu gewinnen.“ Es gelte aber auch: „Wenn die grundlegenden Regeln unseres Zusammenlebens in Frage gestellt werden, muss die Reaktion des Rechtsstaats hart und schnell sein.“ Evers bemängelt, dass bisher kein einziger Täter der Silvesterkrawalle vor Gericht steht. „Den Worten von Frau Giffey sind bis heute keine Taten gefolgt.“

Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch nimmt in ihrer Antwort Bezug auf jene Anfrage eines Berliner CDU-Abgeordneten, der die Vornamen der Tatverdächtigen hatte erfahren wollen: „Die Umfrage zeigt zunächst nur die Wahrnehmung der Menschen nach einer populistischen Vornamendebatte, die unsere Stadt gespalten hat.“ Anders als die CDU konzentriert sich Jarasch in einem Lösungsvorschlag auf die soziale Dimension des Problems: „Wenn wir über Integration sprechen, dann müssen wir uns klarmachen, dass es Jugendliche gibt, die in abgehängten Vierteln mit hohem Anteil an Transferempfängern mit dem sicheren Gefühl aufwachsen, nie aus diesem Viertel herauszukommen.“

Franziska Giffey verwies auf Anfrage der Berliner Zeitung auf die bereits ergriffenen Maßnahmen, wie den Runden Tisch gegen Jugendgewalt und die Schwerpunktstaatsanwaltschaft.

Der Integrationsexperte Ahmad Mansour sieht die Umfrageergebnisse als das Resultat eines parteiübergreifenden Scheiterns. „Die gesamte Gesellschaft ist gespalten, weil keine Partei das Thema differenziert besetzt hat“, erklärte er gegenüber der Berliner Zeitung. Mansour, der im aktuellen Wahlkampf der FDP als Berater dient, kritisiert aber auch die rot-grün-rote Koalition. Sie habe das Thema nicht ernst genommen. „Statt über die Ursachen zu reden, wurde schnell nur noch darüber gesprochen, ob die Debatte selbst rassistisch sei.“