Scholz 2021: „Parteien, die abgewählt sind, sollten nicht versuchen, eine Regierung zu bilden“
Zitate von SPD-Politikern zur Bundestagswahl 2021 sprechen für den Regierungsauftrag der CDU in Berlin. Warum klebt Giffey dann weiter an ihrem Thron?

Neben den Klimaklebern gibt es in Berlin jetzt auch die Regierungskleber. Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin in Berlin, klebt sich derzeit an ihrem Thron im Roten Rathaus fest. Gerechtfertigt wird das mit dem Ansatz der parlamentarischen Demokratie beziehungsweise dem Verhältniswahlsystem.
Die Sozialdemokraten liegen auf Platz zwei. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 sah das rosiger aus. Auch bei der Bundestagswahl 2021 erzielte die SPD das beste Ergebnis (25,7 Prozent). Damals reagierten die Spitzen der SPD teils aggressiv auf das Ansinnen der CDU als Zweitplatziertem, eine Regierung zu bilden.
Worte, die für den Wahlsieger sprechen
„Parteien, die abgewählt sind, sollten nicht versuchen, eine Regierung zu bilden. Das delegitimiert sie, bevor es überhaupt losgegangen ist“, sagte der damalige SPD-Spitzenkandidat und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz laut Bild-Informationen in einer Sitzung des SPD-Parteivorstands nach der Bundestagswahl 2021.
„Wir liegen vorn, wir haben es auf Platz eins gebracht. Die SPD hat den Regierungsauftrag“, sagte der damalige SPD-Generalsekretär und heutige Parteichef Lars Klingbeil wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale 2021 im ZDF. Er kritisierte weiter: „Ich kann nicht verstehen, wie man aus diesem Ergebnis, dem historisch schlechtesten Ergebnis der Union, ableitet, dass man Kanzler dieses Landes werden will.“
Auch die Parteivorsitzende der SPD Saskia Esken ätzte nach der Bundestagswahl, dass CDU und CSU die „krassen Wahlverlierer“ seien. Es wunderte sie, „dass CDU und CSU glauben, aus diesem Ergebnis einen Regierungsbildungsauftrag ableiten zu können“.
„Wenn man mit Abstand Zweiter wird, zudem mit dem schlechtesten Ergebnis in der Geschichte, dann hat man vielleicht die Möglichkeit, aber nicht das moralische Recht dazu“, sagte der damalige SPD-Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans.
Jetzt findet die SPD plötzlich, dass Zweitplatzierte regieren sollen
Nimmt man die Aussagen der SPD-Politiker, müsste das Thema Regierungsbildung in Berlin eigentlich ganz klar sein – CDU ja, SPD nein. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Wir wollen, dass die SPD eine bedeutende Rolle in dieser Landesregierung spielt.
Hat die sozialdemokratische Partei ihre Argumente aus 2021 jetzt schon wieder vergessen? Giffey anscheinend schon. „Wir sind auf Platz zwei“, sagt sie in der SPD-Pressekonferenz nach der Berlin-Wahl. „Wir wollen, dass die SPD eine bedeutende Rolle in dieser Landesregierung spielt“, führt sie fort. Trotz zweitem Platz und trotz Verlusts ihres Direktmandats in Neukölln möchte sie weiterregieren. Für die SPD heißt es also: Weiter so mit der Zweitplatzierten!
Auch die SPD-Parteichefs haben jetzt andere Worte als 2021: „Was das Ergebnis jetzt schon zeigt, ist, dass eine Regierungskoalition unter Franziska Giffey und der SPD, mit Beteiligung der SPD möglich ist“, so Esken Sonntagabend im ZDF. Klingbeil gibt ebenfalls Rückendeckung. Im ARD-„Morgenmagazin“ sagte er am Montag, dass Giffey bislang viel angepackt habe und auch die richtige sei, das weiter zu tun.
Die Logik der Sozialdemokraten zusammengefasst: Ist die SPD Wahlsieger, gehört ihr der Regierungsauftrag. Ist die SPD Zweiter, gehört ihr der Regierungsauftrag trotzdem.