Franziska Giffey am Frauentag: War es dumm, auf den Chefposten zu verzichten?
Die Regierende Bürgermeisterin verteidigt ihren Amtsverzicht und macht indirekt klar: Die alte Koalition von Rot-Grün-Rot hatte keine Chance mehr.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat die Koalitionsgespräche mit der CDU am Mittwoch mit Nachdruck verteidigt. „Wir werden intensiv, seriös und im Sinne der Sozialdemokratie verhandeln“, sagte sie auf einer Veranstaltung der SPD zum Internationalen Frauentag.
Sie sei sich vollkommen im Klaren darüber, dass es viele Vorbehalte gegen ein Bündnis mit der CDU gebe, sagte sie weiter. „Doch das ist allemal besser, als in der Opposition zuzuschauen, wie Schwarz-Grün regiert.“ Damit machte sie indirekt klar: Die bisherige Koalition aus Rot-Grün-Rot hatte nach der Wiederholungswahl keine Chance mehr.
Ein bisschen Selbstkritik
Zu der Veranstaltung im Festungsgraben waren Parteimitglieder, aktive Frauen aus sozialen Organisationen, aber auch viele Abgeordnete erschienen. Die Koalitionsverhandlungen, die an diesem Donnerstag beginnen werden, waren das Hauptthema der Gespräche – die Stimmung dazu war eher gespalten. Das merkte auch Giffey. Man habe nicht einfach so weitermachen können wie bisher, sagte sie als Grund, warum sie für die neue Koalition auch auf ihr Amt als Regierende Bürgermeisterin verzichtet.
„Ich habe den Eindruck, dass ein Mann das vermutlich niemals gemacht hätte“, sagte sie und machte klar, dass es denen dann vielleicht ein bisschen an Mumm fehlen könnte. Ein bisschen Selbstkritik übte die Regierende Bürgermeisterin aber auch: „Man stellt sich dann schon auch die Frage, ‚bist Du ein bisschen blöd, dass Du das gemacht hast?‘“ An dieser Stelle tönte aus dem Publikum ein lautes „Ja“ Richtung Rednerpult. Giffey reagierte schlagfertig. „Das war eine rhetorische Frage“, rief sie zurück und erntete Gelächter und Applaus.
Die Basis wird man noch überzeugen müssen
Auch viele Abgeordnete, die in einer der 13 Arbeitsgruppen der Koalitionsverhandlungen sitzen, sind sich offenbar noch nicht im Klaren darüber, wie sie den Wechsel in eine schwarz-rote Koalition bewerten sollen. „Meine Aufgabe ist jetzt erst mal zu verhandeln, danach sehen wir weiter“, sagte eine Abgeordnete. Diese Devise gab auch Giffey aus. „Wir müssen alles dafür tun, um unsere Themen nach vorne zu bringen“, rief sie den Parteimitgliedern zu.
An der Basis wird man in den nächsten Wochen noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Mit Neukölln und Steglitz-Zehlendorf haben bereits zwei SPD-Kreisverbände einen offiziellen Beschluss gegen eine Koalition mit der CDU verabschiedet. In der SPD will man daran aber nicht nur etwas Schlechtes sehen. „Das kann auch Rückenwind für unsere Verhandlungen geben“, hieß es am Mittwoch. Dann sehe die CDU, dass die SPD mit ihren Anliegen in der Koalition sichtbar sein müsse, wenn sie nicht am Mitgliedervotum scheitern soll. Namentlich zitieren lassen will sich aber niemand mit solchen Äußerungen.
Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD kommt noch
Giffey selbst verwies darauf, dass die Sondierungsgruppe der SPD einstimmig für einen Wechsel zum Bündnis mit der CDU votiert habe. Sie wirkte am Mittwoch optimistisch und ausgeruhter als in den vergangenen Tagen. Sie nahm sich viel Zeit für Gespräche mit verschiedenen Aktiven und SPD-Mitgliedern während der Veranstaltung im Festsaal Kreuzberg. Dort hatte die SPD vor knapp vier Wochen den Wahlabend verbracht und das bisher schlechteste Ergebnis verdauen müssen. Die SPD landete fast zehn Prozentpunkte hinter der CDU und mit gerade mal 53 Stimmen Vorsprung nur ganz knapp vor den Grünen.
Der Groll gegen den bisherigen Regierungspartner, der selbst kurz vor einer Einigung mit der CDU stand, war am Mittwoch auf der Veranstaltung mit den Händen zu greifen. „Viele haben uns für die ideologische Politik der Grünen mit verantwortlich gemacht“, sagt ein Wahlkämpfer, und eine andere Politikerin ergänzt: „Die Koalition mit der CDU könnte hier vielleicht eine Chance sein, das ein bisschen abzuschütteln.“ So reden vor allem die Abgeordneten und Beschäftigten der noch regierenden SPD. Wie die Mitglieder letztlich entscheiden, ist noch völlig unklar. Sie sollen das letzte Wort haben, sobald der Koalitionsvertrag ausgehandelt ist. Das soll spätestens Anfang April der Fall sein.
Grüne in der Opposition
In der neuen Landesregierung sollen die Senatorenposten trotz unterschiedlicher Wahlergebnisse gleich zwischen CDU und SPD verteilt werden. Bleibt es dabei, bekommen CDU und SPD jeweils fünf. Wenn es nach Iris Spranger geht, wird das Innenressort bei der SPD bleiben. Das wünschte sich die Innensenatorin in ihrer Frauentagsrede am Mittwoch – natürlich ganz egal, ob sie es dann führen werde oder nicht. Der zur Schau getragene Optimismus lässt darauf schließen, dass es eventuell bereits eine Vorabsprache gibt. Zu erfahren ist das von den Beteiligten nicht.
Sehr viel offener äußern sich die Grünen, die sich erst Hoffnungen auf den Chefinnensessel im Roten Rathaus machten, dann ernsthaft auf ein schwarz-grünes Bündnis hin verhandelten – und nun doch wieder in der Opposition sitzen. Auf einem kleinen Parteitag am Dienstagabend wurde Spitzenkandidatin Bettina Jarasch zur neuen Fraktionsvorsitzenden neben Werner Graf gewählt. Die bisherige Fraktionsvorsitzende Silke Gebel machte – mehr oder weniger – freiwillig Platz.
Nein zu Schwarz-Rot
An der SPD gab es bei der Gelegenheit wieder viel Kritik. Der Grünen-Landesvorsitzende Philmon Ghirmai kritisierte die SPD nach der Entscheidung für Koalitionsverhandlungen mit der CDU. „Ich hätte die Regierungsarbeit gerne fortgeführt. Denn wir sind nicht fertig, sondern auf halbem Wege“, sagte er. Das „Jahrzehnt der Investitionen“ werde von Schwarz-Rot abgewürgt. Der Landesvorsitzende warf der CDU, die mit den Grünen ebenfalls Sondierungsgespräche geführt hatte, vor, den Weg des geringsten Widerstands gewählt zu haben. „Die CDU entschied sich dafür, Gespräche mit der Partei aufzunehmen, die für sie günstiger zu haben war“, sagte er.
Fraktionschef Graf rief die SPD-Mitglieder auf, beim Votum mit Nein zu stimmen. „Ihr habt es selbst in der Hand, diese Rückschrittskoalition abzuwählen“, sagte er und forderte: „Sagt Nein zu diesen schwarz-roten Koalitionsverhandlungen, befreit euch aus dieser babylonischen Gefangenschaft!“
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