Berlin: Will die SPD die Wahl nicht gewinnen?
Freitag ist Großkampftag mit allerlei auswärtiger Politprominenz in Berlin. Nur die SPD macht es anders. Die Begründung ist einfach. Aber geht die Strategie auf?

Nur noch wenige Tage bis zur Wahl: höchste Zeit für den Endspurt. Fast alle Berliner Parteien laden sich dafür am Freitag noch einmal Bundesprominenz ein. CDU, Grüne und FDP kündigen ihre Gäste aus dem Bund sehr selbstbewusst an, die AfD hält sich aus Sicherheitsgründen eher bedeckt. Nur die SPD macht alles anders. Ausgang ungewiss.
Der Freitag könnte so prickelnd beginnen. Linke-Vormann Klaus Lederer, im Hauptberuf Berliner Kultursenator, hat sich am Vormittag zu einem Glas Sekt im Berliner Ensemble angekündigt. Anlass ist der 125. Geburtstag des Theatergründers Bertolt Brecht. Am Abend ist Lederer zusammen mit den Senatskolleginnen Katja Kipping und Lena Kreck sowie Parteichefin Katina Schubert im Festsaal der Stadtmission an der Lehrter Straße in Moabit angekündigt. Dabei mag das Fehlen jeder Bundesprominenz auffallen. Aber dann stellte sich sogleich die Frage: Welche?
Daran mangelt es der CDU nicht, wie am frühen Nachmittag im Konrad-Adenauer-Haus in Tiergarten zu bewundern ist. Dort wollen Parteichef Friedrich Merz und die Riege der Ministerpräsidenten – außer Daniel Günther – ein letztes Mal für den Berliner Spitzenkandidaten Kai Wegner trommeln. Vielleicht kann der Umfragekronprinz die Stadt ja tatsächlich erobern. Oder wenigstens irgendwie doch noch dafür benötigte Koalitionspartner aus dem Hut zaubern.
Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch lädt sich am Abend geballte Bundesprominenz ins Kino International an der Karl-Marx-Allee. Annalena Baerbock und Robert Habeck wollen den Bullerbü-Fantasien in Deutschlands größter Stadt den letzten Kick geben. Sage keiner, man habe nicht wirklich alles versucht.
Mindestens das Gleiche gilt für die FDP. Parteichef Christian Lindner wird im Microsoft Event Space an der Charlottenstraße in Mitte erwartet, einem Ort samt Digital Eatery, einem Internetbistro inklusive Veranstaltungsbereich. Sei es so gesagt: Berlins Vorzeige-Liberaler und Spitzenkandidat Sebastian Czaja kann jede Hilfe gebrauchen, beim Bestreben im Parlament zu bleiben. Vielleicht, ganz vielleicht, springt am Ende ja der kleinste Part in einer schwarz-rot-gelben Deutschlandkoalition heraus.
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— Berliner Landeszentrale für politische Bildung (@BeLapoBi) January 25, 2023
Ohne jede Koalitionsaussicht, dafür mit ziemlich komplizierterem Vorlauf geht die Berliner AfD in den Großkampffreitag. Die Bundesvorsitzende Alice Weidel kommt, um der heimischen Kristin Brinker und ihren Mitstreitern beim Erreichen des Minimalziels zu helfen: ein Mandat mehr im Berliner Abgeordnetenhaus. Dafür braucht die Partei etwa 2000 Stimmen mehr als voriges Mal. Nun sind bei der AfD nur die Forderungen einfach, sonst ist es wenig. Aus Sicherheitsgründen mag die Partei den Veranstaltungsort am liebsten nicht öffentlich lesen. Zu spät. Ein „Bündnis für Demokratie und Toleranz am Ort der Vielfalt Marzahn-Hellersdorf“, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ruft zum Protest auf: 16.30 bis 16.35 Uhr, so steht es im Aufruf, S- und U-Bahnhof Wuhletal.
Berliner SPD: Niemand ist bekannter als Franziska Giffey
Die SPD pendelt in Umfragen zwischen Platz 2 und 3. Ersteres brächte wahrscheinlich ein rot-grün-rotes Weiter-so unter Franziska Giffey im Roten Rathaus. Im zweiten Fall gäbe es ein völlig offenes Ende, dann wahrscheinlich ohne Giffey. Dennoch ist der Freitag durchaus überraschend ein Raed-Saleh-Tag. Am Vormittag unternimmt der starke Mann der Berliner SPD einen Kiezspaziergang im Falkenhagener Feld daheim in Spandau, zur Mittagszeit steht er an einem Infostand an der Wilhelmshavener Straße in Moabit, am späten Nachmittag ist er zurück in Spandau – an einem Infostand am Altstädter Ring, einem neunspurigen Verkehrsalbtraum am westlichen Rand der Altstadt. Ach ja, beim zweiten Spandau-Termin ist auch die Bundesvorsitzende Saskia Esken dabei. Kleiner kann man die formal wichtigste Frau der Partei nicht verkaufen.
Der Erklärungsversuch kommt von einem Parteisprecher. „Franziska Giffey ist die mit Abstand bekannteste Politikerin der Stadt und auch bundesweit bekannt“, sagt er. Soll heißen: Weitere Prominenz würde dann auch nichts mehr bringen.