Berliner CDU: Kommentare aus der Vergangenheit

Kai Wegner ist drauf und dran, Regierender Bürgermeister zu werden. Was ihm der letzte CDU-Regierungschef vor ihm, Eberhard Diepgen, rät.

Eberhard Diepgen (l.) und Kai Wegner in der vergangenen Woche
Eberhard Diepgen (l.) und Kai Wegner in der vergangenen WocheFunke Foto Services/imago

Der 16. Juni 2001 ist bis heute ein schwarzer Tag in der Geschichte der Berliner CDU. An diesem Tag wurde ihr bis dato letzter Regierender Bürgermeister abgewählt: Eberhard Diepgen. Nun hat Kai Wegner alle Chancen, ihm nachzufolgen. Rund um den 1. April soll der schwarz-rote Senat unter seiner Führung stehen. Wenn dann die SPD-Mitglieder Ende April das Bündnis absegnen, steht einer Wahl Wegners im Mai nichts im Wege. Doch bis dahin wird der Regierungschef in spe immer wieder sehr genau hinhören, was sein Vorgänger zu sagen hat. Nicht alles davon wird ihm gefallen.

Eberhard Diepgen ist bis heute Ehrenvorsitzender seiner Partei, der er fast 20 Jahre lang vorstand. Der 81-Jährige hat zwar schon lange keinen gewichtigen Posten in der Partei mehr inne, aber er meldet sich regelmäßig zu Wort, mischt sich ein. Nicht immer zum puren Vergnügen seiner Nachfolger – auch des aktuellen.

Zum Beispiel, als Diepgen im 2021er-Wahlkampf Mario Czaja in seinem Wahlkampf um das Bundestagsdirektmandat in Marzahn-Hellersdorf unterstützte. Zur Geschichte gehört, dass Kai Wegner und Mario Czaja miteinander verkracht sind. Wegner und der von ihm dominierte Landesvorstand werfen Czaja mangelnde Teamfähigkeit vor und sorgten dafür, dass dieser nicht auf der Landesliste abgesichert wurde. Czaja schäumte vor Wut und sprach von einer West-Ost-Kluft in der Partei.

Wenn dann also Eberhard Diepgen aktive Wahlkampfhilfe für Mario Czaja macht, wird das im Parteivorstand um den Vorsitzenden Kai Wegner sicher wahrgenommen. Dass Czaja dann Marzahn-Hellersdorf tatsächlich der über drei Jahrzehnte scheinbar übermächtigen Linkspartei entriss, freute dann doch wieder alle in der Berliner CDU.

Czajas weiteren Werdegang zum Generalsekretär der Bundespartei nahm man dann mit einer Mischung aus Erstaunen und Respekt zur Kenntnis. Hinter vorgehaltener Hand sagen manche, man sei ganz froh, dass er jetzt in der Bundespolitik tätig ist.

Doch die Spannungen blieben. So gilt Mario Czaja als Urheber eines Umsturzversuchs. Im Herbst, als klar war, dass die Abgeordnetenhauswahl wiederholt werden würde, wurde Jens Spahn als CDU-Kandidat ins Spiel gebracht. Mit dem früheren Gesundheitsminister habe die Partei bessere Chancen als mit dem damals wenig bekannten Wegner. In Wegners Umfeld weiß man, dass Czaja der Urheber dieser Überlegungen war. Der oft unterschätzte Wegner wehrte den Angriff ab und trat an.

Aber wie ist das nun mit Eberhard Diepgen, dem Unterstützer Mario Czajas? Zuletzt sorgte der Elder Statesman seiner Partei wenige Tage vor der Wahl für Stirnrunzeln in Wegners Team. Diepgen ging, wie so viele andere, offenbar von einem deutlich knapperen Wahlergebnis und schwierigeren Machtverhältnissen aus. Jedenfalls schrieb er in einer seiner regelmäßigen Kolumnen in der B.Z.: „Die erste Frage nach dem endgültigen Wahlergebnis am Sonntag sollte nicht sein, wer wird Chef, sie muss sein, welche Aufgaben stehen an erster Stelle.“

Berliner CDU: Erst Kai Wegners klarer Wahlsieg beendete alle Spekulationen

Was sollte das bedeuten? Wer Chef sein wird? Kai Wegner reagierte sofort und reklamierte den Sessel im Roten Rathaus für sich und niemanden anderen. Er habe natürlich nicht vor, etwa Franziska Giffey ins Amt zu helfen. Das überaus deutliche Ergebnis von 28,2 Prozent für die CDU – fast zehn  Prozentpunkte Vorsprung vor allen anderen Mitbewerbern – beendete alle Spekulationen.

In den Tagen nach der Wahl zeigte sich Wegner auffällig häufig an der Seite Diepgens – oder war es andersherum? Ganz sicher ging es um ein Signal der Nähe. Jedenfalls zeigt sich Eberhard Diepgen im Gespräch mit der Berliner Zeitung „hocherfreut“ über den Wahlsieg seiner Partei und Kai Wegners. Sorgen mache ihm jedoch die kurze Zeit, die dem künftigen Wegner-Senat bis zur nächsten Wahl bleibe. Umso wichtiger sei es, sich auf die wichtigen Themen zu konzentrieren.

Der CDU-Plan, die Bildungspolitik umzukrempeln, birgt Gefahren

Eines davon soll nach Wegners Meinung die Bildungspolitik sein. Mit Katharina Günther-Wünsch steht auch schon eine mögliche Senatorin bereit, die die fast 30-jährige Zuständigkeit der SPD auf diesem Gebiet beenden soll.

Diepgens Segen hat Wegner, doch er sieht auch Risiken, schließlich seien wenige Themen so heiß umstritten wie die Bildung. Das Gemisch aus politisierter Lehrerschaft inklusive streitlustiger Gewerkschaft und so engagierten wie kritischen Eltern sei explosiv. Das Themenspektrum reicht – mindestens – von dreckigen Schultoiletten bis zum allenfalls mittelmäßigen Abschneiden Berliner Schülerinnen und Schüler in allerlei Vergleichen.

Eberhard Diepgen: Rechnen, Schreiben und Lesen sind wichtiger als saubere Schultoiletten

Das sieht auch Eberhard Diepgen. „Die CDU muss sich genau überlegen, wie sie schnell verdeutlichen kann, wie sie in kurzer Zeit die Schultoiletten in Ordnung bringen und gleichzeitig dafür sorgen kann, dass die Berliner Schüler besser bei den Pisa-Studien abschneiden“, sagt er. Das mit den Toiletten könne man auch in kurzer Zeit hinbekommen, sagt er, „aber Rechnen, Schreiben und Lesen ist wichtiger“.

Und dann hat Diepgen noch einen Rat parat für Kai Wegner. „Ich habe die dringende Empfehlung, dass sich der Regierende Bürgermeister nicht in täglichen Streit mit einem Senatsmitglied einlässt“, sagt er. Wenn dieser Streit dann dennoch dringend nötig sei, solle er dies einem anderen CDU-Mitglied überlassen. „Es wird sehr wichtig sein für Kai Wegner, dass er ein solch enges Vertrauen zu diesem Parteifreund hat“, sagt Diepgen.