Kanzlerin und Regierende? Kein Problem für Berliner Grüne im Höhenflug
Die zuversichtliche Lisa Paus hält das Personal ihrer Partei für mehrheitsfähig. In Berlin traut sie Spitzenkandidatin Bettina Jarasch den Machtwechsel zu.

Berlin-Für Lisa Paus ist die Sache mit der Führung in Bund und Land schon geritzt. „Egal ob Annalena oder Robert“, die Partei werde ab Herbst die erste grüne Kanzlerin oder den ersten grünen Kanzler stellen, rief sie am letzten Tag der drei Tage andauernden Landesdelegiertenkonferenz ins Auditorium. Selbstverständlich werde auch Bettina Jarasch ins Rote Rathaus als Regierende Bürgermeisterin einziehen.
Die siegesgewisse Lisa Paus hatte am Sonntag Grund für derartige grüne Höhenflüge. Geradezu einhellig wurde sie mit 137 von 140 abgegebenen Stimmen bei zwei Enthaltungen als Spitzenkandidatin für den Bundestagswahlkampf nominiert. Ein solches Traumergebnis habe sie noch nie gehabt, jubilierte Paus, die auch für die aktuelle Legislaturperiode schon als Spitzenkandidatin in den Bundestag einzog und Sprecherin für Finanzpolitik ihrer Fraktion ist. Auf Listenplatz zwei landete der Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar, auf dem dritten Platz steht die frühere Agrarministerin Renate Künast.
Berliner Grüne drohen Wohnungskonzernen mit Enteignung
Inhaltlich positionierten sich die Berliner Grünen für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus mit einer Drohung an die Adresse der Wohnungskonzerne. Sie können sich durchaus vorstellen, dass Wohnungen vergesellschaftet werden, damit Mieten bezahlbar bleiben. Die Grünen stellten sich mit einer deutlichen Mehrheit auf die Seite des Volksbegehrens zur Enteignung von Wohnungskonzernen, um bezahlbare Mieten zu sichern und das Recht auf Wohnen für alle durchzusetzen.
„Wir würden uns wünschen, dass die Umstände uns nicht zwingen, die Vergesellschaftung als letztes Mittel anzuwenden, um den verfassungsmäßigen Auftrag erfüllen zu können“, hieß es in einem Beschluss. „Wenn Wohnungsunternehmen sich jedoch weigern, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen, wird die öffentliche Hand, auch durch ein Volksbegehren gestützt, die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt mit diesem Schritt entschärfen.“
Dieser Beschluss könnte sich noch als Sprengsatz für ein mögliches Regierungsbündnis auf Landesebene entpuppen. Die SPD ist klar gegen Enteignungen, die Linke dafür.
Auf ihrer Tagung stellten sich die Berliner Grünen auch hinter den Mietendeckel und gegen den Weiterbau der A100. „Statt über den Weiterbau sollten wir anfangen, über den Rückbau der A100 zu reden“, sagte Jarasch bereits am Sonnabend. Damit bezog sie sich auf jenen Abschnitt der A100 am Dreieck Neukölln-Treptower Park, der noch im Bau ist.
Kritik von der CDU
Stefan Evers, der Generalsekretär der Berliner CDU, kritisierte die Grünen-Beschlüsse. Die Berliner Grünen hätten sich in wesentlichen Fragen aus der politischen Mitte verabschiedet, sagte Evers. „Die Entscheidung, sich hinter den Zielen des Enteignungs-Volksbegehrens zu versammeln, muss bundesweit alarmieren“, so Evers. Die Forderung, die Stadtautobahn A100 zurückzubauen, sei ein populistischer Irrweg.
Auch die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg meldeten sich zu Wort. Die A100 sei die meistbefahrene Autobahn Deutschlands und lebenswichtig für den Wirtschaftsverkehr und die Versorgung von Millionen Menschen. „Viele Industrie- und Gewerbestandorte entlang der Trasse wären ohne einen Autobahnanschluss nahezu unattraktiv.“
Am Rande gab es auch noch Diskussionen um eine Äußerung von Jarasch. Laut Medienberichten wurde sie am Sonnabend von Landesparteichef Werner Graf gefragt, was sie als Kind gern geworden wäre. Jarasch antwortete demnach mit „Indianerhäuptling“. Für diese Wortwahl wurde sie kritisiert, denn der Begriff „Indianer“ gilt als diskriminierend.