Verwaltungsreform: Wegner bittet um Zusammenarbeit, Grüne und Linke lachen ihn aus

Zwischenrufe, Vorwürfe der Phrasendrescherei, dazu die erste Regierungserklärung von Kai Wegner – und was das mit Behörden-Pingpong zu tun hat. 

Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister in Berlin, nach seiner ersten Regierungserklärung
Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister in Berlin, nach seiner ersten RegierungserklärungWolfgang Kumm/dpa

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Werner Graf begann am Donnerstag die Aussprache nach der Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus mit einem Witz. Seit Schwarz-Rot an der Regierung sei, steige Hertha BSC ab. Da mussten selbst die Abgeordneten von CDU und SPD lachen. Der Satz sei ein Gag, räumte Graf ein. Denn nicht einmal die Politik könne etwas für Herthas Absturz. Doch gleich danach arbeitete der Grüne sich, bis vor Kurzem noch selbst in der Regierung, an der neuen großen Koalition ab. Und dann lachten mal die einen, mal die anderen. 

Das war erwartbar bei der ersten Regierungserklärung Kai Wegners am Donnerstag im Abgeordnetenhaus, nachdem er Ende April erst mit Ach und Krach im dritten Wahlgang als Regierender gewählt worden war. „Das Beste für Berlin“ will er jetzt geben, denn so lautete der Titel seiner Rede am Donnerstag, ebenso steht diese Zeile über dem 135 Seiten langen Koalitionsvertrag von CDU und SPD. 

Am Donnerstag wirkte es mehr denn je wie eine Zeile für ein Wohlfühl-Seminar. Positiv denken, an neue Ufern rudern, für alle da sein, niemanden ausgrenzen, so lauteten viele Sätze. Absehbar war dabei auch, dass sich Grüne und Linke, bis vor wenigen Wochen noch selbst in der Regierung, daran abarbeiteten. Von beleidigten Mienen bis hin zu lauter Empörung war alles dabei. Dagegen sein will gelernt sein.

Bettina Jarasch daddelte am Handy

Etwa 45 Minuten redete der Regierende, der vorher noch schnell ein Wasser getrunken und seinen Anzug zurechtgezupft hatte. „Wir werden hart daran arbeiten, dass Berlin jeden Tag ein bisschen besser funktioniert“, versprach er. Wegner ging die Themen durch, die sich seine Koalition vorgenommen hat. Die Verwaltungsreform: Es müsse Schluss mit dem „Behörden-Pingpong“ sein, Verwaltungen müssten digitaler und bürgernäher werden. Ziel des neuen schwarz-roten Senats sei es, die Zuständigkeiten in der Verwaltung zwischen Landesebene und Bezirken klar zu regeln.

Ich möchte diese Verwaltungsreform mit euch gemeinsam gestalten.

Kai Wegner zur Opposition am Donnerstag im Abgeordnetenhaus

Wegner machte am Donnerstag gleichzeitig ein Angebot an die Opposition. All das sei eine „gemeinsame Aufgabe“, sagte er. „Ich möchte diese Verwaltungsreform mit euch gemeinsam gestalten, auch wenn es um eine Änderung des Landesverfassungsgesetzes geht“, fügte er Richtung Grüne und Linke hinzu. Dort lachten manche laut und ablehnend auf.

Wegner setzte seine Rede mit Allgemeinem fort: „Wir wollen diese Stadt voranbringen“ oder „Wir brennen für Berlin“. Die Berlinerinnen und Berliner sollten spüren, dass die Politik die Herausforderungen in der Stadt konsequent angehe, kündigte der Regierende an. Der Senat wolle dabei Politik für alle machen: „Wir wollen das Vertrauen in die Politik zurückgewinnen“, erklärte er, während Bettina Jarasch an ihrem Handy daddelte.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende blickte auch nicht auf, als ihre bisherige Politik in Wegners Fokus stand. Jarasch, vor der Nachwahl noch grüne Verkehrssenatorin, musste sich erneut anhören, wie sie die Stadt gespalten habe. In der neuen Regierung werde es nicht gelingen, das eine gegen das andere Verkehrsmittel auszuspielen. Das bringe nichts.

Auch die Teilsperrung der Friedrichstraße, derentwegen die Grünen in der Wählergunst sanken, sei sofort unter der neuen Regierung aufgehoben worden, unterstrich der Regierende im Abgeordnetenhaus. Die Sperrung unter Rot-Grün-Rot habe kein Konzept erkennen lassen. Genüsslich sagte er Richtung Oppositionsbank: „Berlin ist eine Weltmetropole, nicht Bullerbü.“ Da klatschten seine Leute. 

Die Grünen klatschten begeistert, Wegner lächelte milde

Auch stehe der neue schwarz-rote Berliner Senat klar hinter den Einsatzkräften von Polizei und Feuerwehr, betonte Wegner. „Wer Berlin schützt, den schützt Berlin“, sagte der CDU-Politiker im Abgeordnetenhaus. „Und wer sich mit Polizei und Feuerwehr anlegt, der legt sich mit uns an.“ In dieser entschiedenen Unterstützung für die Sicherheitskräfte unterscheide sich der neue vom alten Senat. „Höchste Priorität“ für den Senat habe eine bessere Ausstattung der Einsatzkräfte. Ein Schwerpunkt in der Sicherheitspolitik werde die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Clan-Kriminalität sein.

Dann schlug die Stunde der Opposition. Grünen-Fraktionschef Graf kritisierte Schwarz-Rot in vielen Punkten. Aber vor allem bezweifelte er, dass die großspurigen Pläne auch umgesetzt werden können. 20.000 neue Wohnungen, fünf Milliarden Euro Sondervermögen für den Klimaschutz oder das 29-Euro-Ticket seien versprochen worden, zählte Graf die Vorhaben der neuen Regierung auf. „Aber wahrscheinlich wird keine davon Wirklichkeit werden“, prognostizierte er in der Aussprache. Hämisch mit Blick auf die Vorsätze im Koalitionsvertrag zitierte Graf SPD-Chef Raed Saleh, der einmal in Anlehnung an den Roman „In 80 Tagen um die Welt “ gesagt hatte: „In 80 Phrasen um die Welt.“

Man dürfe nur hoffen, so Graf, dass es nachher in Berlin nicht heiße, „in 80 Katastrophen vor der Welt blamiert“. Die Grünen klatschten begeistert, Wegner lächelte milde, vertiefte sich wieder in seine Akten. Saleh redete später selbst, Grafs Spitze ignorierte er allerdings.

„Blicken wir nach vorne“, erklärte schließlich CDU-Fraktionschef Dirk Stettner bei der Aussprache, während die Tumulte auf der Oppositionsbank lauter wurden. „Natürlich können wir nicht zaubern“, rief er in Richtung der Grünen und Linken. Doch man wolle etwas in der Stadt ändern. Als Beispiel nannte er das derzeit wohl heikelste Thema der Stadt: Klima-Kleber. Die CDU möchte beschleunigte Verfahren und die Aktivisten für die Schäden, die sie verursachen, zur Kasse bitten. Geht es nach Stettner, kommt das bald.

Das gab Zuspruch von der Koalition, auf der Oppositionsbank genervte und empörte Mienen. Auch, als Stettner sagte: „Manche können für den Umweltschutz nur kleben, wir werden ihn aktiv leben.“ Nur einmal waren sich Grüne, Linke, SPD und CDU einig, und zwar in dem Moment, als Wegner die AfD rügte und sagte, dass er die Vorstellungen dieser Partei, wenn es um Berlin gehe, nicht teile. Da klatschten fast alle.