Berlinwahl: Bettina Jarasch irrt sich – ausgerechnet bei der Friedrichstraße
Der Wahl-O-Mat soll Wählern Entscheidungshilfe bieten. Bei der Vorstellung des Online-Tools unterläuft der Verkehrssenatorin ein lustiger Fehler.

Schon wieder wählen? Okay! Aber wen, welche Partei? Für die Wiederholungswahl am 12. Februar können sich Wähler nun Entscheidungshilfe beim neuen Wahl-O-Mat holen. Zweieinhalb Wochen vor der Wahl ist das Online-Instrument der Bundes- und Landeszentrale für politische Bildung am Mittwoch an den Start gegangen.
„Der Wahl-O-Mat ist das wahrscheinlich wichtigste Tool für die Orientierung der Wählerinnen und Wähler, weil es einfach unglaublich viele Menschen erreicht“, sagte der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, Thomas Gill.
Anhand von 38 Forderungen können die Wähler ihre Haltung mit den Parteiprogrammen abgleichen. Dazu stimmen sie den Thesen zu, lehnen sie ab oder klicken „neutral“. Danach zeigt eine Auswertung, wie 31 Parteien auf die Fragen geantwortet haben und wie groß die Übereinstimmungen mit den Parteien sind.
Zum Auftakt am Mittwoch testeten führende Politiker der sechs im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien in der Landeszentrale für politische Bildung im Amerikahaus am Bahnhof Zoo den Wahl-O-Mat. Die Parteichefs Raed Saleh (SPD), Kristin Brinker (AfD) und Christoph Meyer (FDP), aber auch der Dauersenator Klaus Lederer (Linke) zeigten sich dabei besonders themensicher – oder sollte man sagen: überangepasst? Jedenfalls erreichten sie bei den Abfragen 100 Prozent Zustimmung zu den Antworten ihrer Parteien.
Das Ergebnis: 100% für die @dielinkeberlin! Dann werde ich die wohl mal wählen! 😉
— Klaus Lederer (@klauslederer) January 25, 2023
Probiert doch den Wahl-O-Mat auch einfach mal aus. Aber es schadet natürlich nicht, sich auch jenseits der 38 Thesen gründlich zu informieren. 2/2
Geradezu widerspenstig präsentierten sich das CDU-Generalsekretär Stefan Evers und Grünen-Spitzenkandidatin und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch. Evers wich bei der Frage danach, ob alle Geschäfte auch sonntags öffnen dürften von der Parteilinie ab. Die CDU-Antwort wäre Nein gewesen. Evers sah es differenzierter. Dabei hatte er nach eigenen Worten die Spätis im Blick. „Die sollen das meiner Meinung nach entscheiden dürfen“, sagte er. Insgesamt brachte es Evers dennoch auf 98,8 Prozent Übereinstimmung mit der CDU.
Bettina Jarasch vermeintliche Eigenständigkeit entpuppte sich dagegen als Unfall, brachte ihr aber Lacher ein. Die Politikerin verklickte sich ausgerechnet bei der Frage nach einer autofreien Friedrichstraße, dem Aufregerthema des Tages. Da stimmte sie doch tatsächlich der These zu, dass die Friedrichstraße dauerhaft für Autos freibleiben soll. „Jeder selbstständig denkende Mensch muss von seiner Partei auch mal abweichen“, sagte Jarasch anschließend und lachte dabei. Aber ausgerechnet bei dieser Frage? „Bei der Frage ist meine Antwort natürlich ganz klar“, sagte sie. Jaraschs Ergebnis: 95,5 Prozent auf Parteilinie. Summa summarum war Evers der Einzige, der sich eine – wenn auch klitzekleine – eigene Meinung gönnte.
Zur Wiederholungswahl wurden 21 Thesen neu erarbeitet, 17 stammen noch von der Wahl 2021. Sie behandeln etwa eine Klimaneutralität Berlins, Obdachlosen-Camps, E-Scooter, Silvesterfeuerwerk, Grundschulnoten, Flüchtlinge, Fahrrad- und Autoverkehr, Kitas, Polizeikontrollen, Kopftuchtragen und die Verschuldung Berlins.
Berlins CDU will zweieinhalb Wochen vor der Wahl das Wahlrecht ändern – doch die Aussichten sind gering
Alle Parteien befinden sich im Wahlkampf, forcieren ihre Themen, versuchen auf den letzten Metern zu mobilisieren. Unter Wahlkampf darf man getrost auch den allerjüngsten Vorstoß der CDU verbuchen. Und erneut tut sich dabei Generalsekretär Evers hervor.
So schlägt Berlins größte Oppositionspartei vor, mit einem Gesetz zu regeln, dass Bezirksstadträte und -bürgermeister im Fall einer Wiederholungswahl nicht einfach im Amt bleiben dürfen. Einen entsprechenden Antrag an das Abgeordnetenhaus hat die Fraktion bereits eingereicht. „Es ist unvorstellbar, dass nach der Wiederholungswahl in den Bezirken alles beim Alten bleibt. Mit unserem Gesetzentwurf stellen wir sicher, dass neue Mehrheiten sich auch in der Zusammensetzung der Bezirksämter spiegeln“, sagte Evers am Mittwoch. Man lade alle demokratischen Parteien ein, dieses Problem im Konsens zu lösen. „Es wird doch wohl niemand ernsthaft erklären wollen, dass ihm der Wählerwille in den Bezirken egal ist.“
Genau so wenig wird die CDU ernsthaft erwarten, dass die rot-grün-rote Parlamentsmehrheit über das so unverhofft hingehaltene Stöckchen springen wird. Zweieinhalb Wochen vor dem Wahltermin.
Dabei ist das Thema tatsächlich relevant. So ist in Berliner Gesetzen nicht geregelt, welche Auswirkungen eine Wiederholungswahl der Bezirksparlamente für die Zusammensetzung eines von ihr gewählten Bezirksamts hat. Nach bisheriger Mehrheitsmeinung: keine. Das heißt, dass Stadträte oder auch Bezirksbürgermeister nur per Zweidrittelmehrheit abgewählt werden könnten. Es gilt jedoch als höchst unwahrscheinlich, dass die Wahl am 12. Februar die Mehrheitsverhältnisse in den Bezirken derart fundamental verändern wird.