Besuch in der Golf-Region: Sigmar Gabriels heikle Mission zu den Scheichs
Berlin - Die Liste ist sehr lang. Sie umfasst die Namen von 76 Managern. Bohrmaschinenbauer, Architekten, Rohstoffhändler, Autohersteller und Krankenhausbetreiber sind darunter. Aber die Unternehmen Krauss–Maffei, Rheinmetall oder Heckler & Koch sucht man vergeblich. Vertreter von Rüstungsunternehmen müssen zuhause bleiben, wenn Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel an diesem Samstag mit großer Delegation zu einer viertägigen Reise in die Golf-Region aufbricht. Natürlich geht es um Kontakte, Geschäftsabschlüsse und ums Geldverdienen. Doch der Besuch der autokratischen Wüstenstaaten gleicht für den SPD-Chef einer heiklen Gradwanderung: Die deutschen Waffenlieferungen der Vergangenheit stehen zuhause massiv in der Kritik, und die Verurteilung des saudischen Bloggers Raif Badawi zu 1000 Stockhieben hat schlaglichtartig die prekäre Menschenrechtslage in Erinnerung gerufen.
Schon bevor der Regierungsflieger in Richtung Riad abgehoben hat, meldet sich daher in Berlin die Opposition zu Wort. Gabriel müsse in Saudi-Arabien „unmissverständlich die Menschenrechtslage ansprechen“, fordert Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Auch Badawis Ehefrau Ensaf, die in Kanada lebt, hat den Wirtschaftsminister um Hilfe gebeten. Der Linken-Abgeordnete Jan van Aken dringt auf einen Stopp aller Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien: „An Staaten, die die Menschenrechte mit Füßen treten, darf kein Panzer, kein Gewehr, nicht einmal eine Schraube für eine Waffe geliefert werden.“
Gabriel befindet sich in einer schwierigen Lage. „Ich glaube, dass jede staatliche Handlung immer das Gesetz und die fundamentalen Rechte des Individuums respektieren muss“, hat er am Mittwoch bei einem Treffen mit dem saudischen Öl-Minister Ali Ibrahim al Naimi in Berlin gesagt. Am Sonntag wird er in Riad den saudischen Kronprinz Muqren Bin Abdelaziz treffen. Natürlich werde er auf der Reise die Menschenrechtslage ansprechen, hat der Vizekanzler angekündigt. Aber: „Gegenüber wem wir das tun, wie wir das tun, sollten wir sinnvollerweise nicht im Fernsehen besprechen. Jedenfalls nicht, wenn man dem Mann helfen will.“ Demonstrative Erfolge wird Gabriel daher wohl kaum öffentlich verkünden können. Dass sich ein Auszug des Amnesty-Reports über die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien in den Unterlagen für die deutsche Delegation befindet, mag man jedoch als Zeichen werten.
Boomregion mit Öko-Image
In Saudi-Arabien, Abu Dhabi und Katar will Gabriel vor allem für eine stärkere Zusammenarbeit bei der Energiewirtschaft, der Infrastruktur und im Gesundheitswesen werben. Tatsächlich verkauft sich Abu Dhabi als Boomregion mit Öko-Image und will zumindest auf dem Papier die Erneuerbaren stark ausbauen. Das Emirat Katar ist bereits der zweitwichtigste Aktionär von Volkswagen. Und immer mehr Reiche Saudis kommen zu schwierigen medizinischen Behandlungen nach Deutschland.
Doch die Golf-Staaten machen auch aus ihrem Interesse an deutschen Waffenlieferungen keinen Hehl. Vor allem Saudi-Arabien ist ein strategischer Partner des Westens in der instabilen Region und beim Kampf gegen die Terrormiliz IS. Zu rot-grünen und vor allem schwarz-gelben Zeiten hat Deutschland in großem Umfang Waffen geliefert. Auch 2014 – dies zeigt die jetzt veröffentliche Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken - genehmigte der Bundessicherheitsrat den Export von 225 Zielfernrohren für Gewehre und eines Pionierpanzers Wisent nach Saudi-Arabien. Auch die Ausfuhr von 3000 Maschinenpistolen der Firma Heckler & Koch in die Vereinigten Arabischen Emirate wurde gebilligt.
Gabriel tritt für eine restriktive Genehmigungspraxis bei Waffenausfuhren in Nicht-Nato-Staaten ein. Tatsächlich gingen in seiner Amtszeit die Exporte zurück. Angesichts der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien hat die Bundesregierung Anfang des Jahres alle Waffenexporte dorthin vorerst gestoppt. Rüstungsgüter wie Schießsimulatoren oder militärische Software werden aber weiter geliefert. Dabei handele es sich teilweise um Entscheidungen früherer Regierungen, die er nicht rückgängig machen könne, sagt Gabriel. Bei den Waffen aber will er hart bleiben. Schließlich wisse man nicht, ob die Panzer oder Gewehre nicht auch gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt würden, argumentiert er. Auch könnten sie am Ende in die Hände der IS-Milizen fallen.
„Ich glaube, in der Region mangelt es nicht an Waffen, sondern es ist eher eine Region, in der es zu viele Waffen gibt“, hat der Vizekanzler in einem Interview gesagt. Das dürften die Herrscher am Golf anders sehen. Gabriel macht sich keine Illusionen: „Das ist ein schwieriges Gespräch.