Blood and Honour: Neonazi-Chef soll V-Mann gewesen sein

Berlin - Recherchen des ARD-Magazins „report München“ legen eine V-Mann-Tätigkeit des früheren Bundesvorsitzenden von Blood and Honour (Blut und Ehre) nahe. In einem amtlich geheim gehaltenen Vermerk aus dem Jahr 2000 heißt es demnach, er sei vom Landeskriminalamt Berlin an das Bundesamt für Verfassungsschutz vermittelt worden. Beide Ämter bestreiten dies nicht.

Die verbotene Neonazi-Organisation Blood and Honour war eines der wichtigsten Unterstützernetzwerke des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Aktivisten von Blood and Honour haben dem NSU-Trio Wohnungen zur Verfügung gestellt; einem ehemaligen Spitzenfunktionär wird vorgeworfen, mit der Beschaffung einer Waffe für den NSU beauftragt worden zu sein. Der Deutschland-Chef von Blood and Honour hat laut Sicherheitsbehörden die Strukturen in Deutschland wesentlich mit aufgebaut.

Unter Spitzelverdacht

Der geheime Vermerk entstand nach einem Gespräch des Landeskriminalamtes Berlin mit einem anderen V-Mann, dem sächsischen Blood and Honour-Aktivisten Thomas S. Dieser hatte angegeben, dass der Deutschland-Chef von Blood and Honour in der Szene unter Spitzelverdacht stehe, da er bei einem Strafverfahren eine vergleichsweise milde Strafe von 3000 D-Mark erhalten habe. Daraufhin vermerkte das LKA Berlin wörtlich, dieser sei an das Bundesamt für Verfassungsschutz „vermittelt“ worden. „Es ist anzunehmen, dass dies im anhängigen Strafverfahren dafür sorgte, dass die Entscheidung für den Erlass eines Ordnungsgeldes der einer Verurteilung vorgezogen wurde.“

Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte der ARD mit, die Fragen „betreffen den operativen Kernbereich“ seiner Arbeit. „Es können aus dem genannten Grund keine Aussagen getroffen werden, die Rückschlüsse zulassen, ob es eine VP (Vertrauensperson) mit dem von Ihnen genannten Namen gegeben hat oder nicht.“ Das Landeskriminalamt Berlin antwortete nahezu wortgleich. Der Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, nannte es unterdessen „schwierig“, eine so zentrale Person als V-Mann zu führen. „Jeder halbwegs gare Behördenleiter“ würde „sofort die Reißleine ziehen und sagen: Das geht überhaupt nicht“, so Kramer.

Zahlreiche V-Leute in NSU-Umfeld

Im Umfeld des NSU gab es zahllose V-Leute, die teilweise viel Geld kassierten. Dennoch kam man dem Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, das sich jahrelang im sächsischen Zwickau versteckt hielt, nicht auf die Spur. 2015 wurden die Regeln für den Einsatz von V-Leuten unter dem Eindruck des NSU-Skandals verschärft. So sollen Kriminelle nicht geworben werden.

Linke und Grüne verlangen Aufklärung. Die Obfrau der Grünen im NSU-Untersuchungsausschuss, Irene Mihalic, sagte: „Wenn der Deutschland-Chef von Blood and Honour V-Mann war, dann ist da ganz klar eine Grenze überschritten.“

Trotz des Verbots von Blood and Honour, das mit Combat 18 einen bewaffneten Arm besitzt, gibt es zumindest in Thüringen nach offiziellen Angaben wieder Strukturen, die als möglicher Nukleus eines neuen Rechtsterrorismus betrachtet werden könnten.

Die Recherche-Ergebnisse von „report München“ werden am Dienstag, 16. Mai, um 21.45 Uhr in der ARD ausgestrahlt.