Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben tritt zurück - Sein Nachfolger soll ein Staatssekretär aus dem Bundesagrarministerium werden
Potsdam - Dieser Abgang war unvermeidlich, zu groß war der Druck, zu groß die Wahlschlappe: Ingo Senftleben, der zweitlängste CDU-Chef nach Jörg Schönbohm im Land Brandenburg, wird zurücktreten. Das bestätige der CDU-Generalsekretär Steeven Bretz am Freitag in Potsdam. Senftlebens innerparteiliche Gegner, die seit dem CDU-Debakel bei der Landtagswahl am Sonntag gegen ihn ankämpfen, hatten für kommenden Dienstag eine Kampfabstimmung um den Fraktionsvorsitz angekündigt, den Senftleben ebenfalls innehat.
Ingo Senftleben will sowohl vom Posten des Parteichefs als auch von den anderen Parteiämtern zurücktreten
Nun ließ er erklären, dass er nicht antreten werde. Er wolle einen klaren Schnitt, um die mögliche Regierungsbildung nicht von vornherein zu gefährden. Senftleben will sowohl vom Posten des Parteichefs als auch von den anderen Parteiämtern zurücktreten, will seinem Nachfolger Platz machen und wird auch nicht mehr dem sechsköpfigen CDU-Team angehören, das die Sondierungsgespräche über eine Regierungsbildung mit SPD und Grünen führt.
Bei der Landtagswahl am Sonntag war die CDU mit nicht mal 16 Prozent nur auf Platz 3 hinter der SPD und der AfD gelandete. Damit waren Senftlebens Träume, erste Nicht-SPD-Ministerpräsident des Landes zu werden, ausgeträumt. Sein Rückzug soll eine Art Befreiungsschlag sein, damit die CDU sich nicht in einem endlosen Machtkampf selbst schwer beschädigt. Konservative Kreise um die Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig kämpften seit dem Wahlabend für den Abgang von Senftleben, der als liberal gilt und von seinen Gegnern heftig kritisiert wird, weil er schon vor der Wahl auch Gespräche mit den Linken über eine mögliche Regierungsbildung nicht ausgeschlossen hat.
Warnung vor einem Rechtsruck der CDU
Die Grünen warnten nach der Rücktrittsankündigung von Senftleben vor einem Rechtsruck in der CDU. Die beiden Spitzenkandidaten der Partei, Ursula Nonnemacher und Benjamin Raschke, sagten am Freitag: „Ingo Senftleben war für uns das Aushängeschild einer liberalen und weltoffenen CDU, mit der wir in den letzten fünf Jahren im Landtag gut zusammen gearbeitet haben. Ehrlich gesagt, sind wir ziemlich erschüttert, wie die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der CDU laufen und die Partei mit ihrem Spitzenpersonal umgeht.“
Die Grünen hatten in dieser Woche zuerst mit der CDU gesprochen, dann ging die CDU am Donnerstag in das erste Sondierungsgespräch mit der SPD – unter Führung Senftlebens. Die Grünen sagen, dass es genau jene weltoffene und liberale CDU sei, mit der sie sich eine Zusammenarbeit in einer Koalition „bislang zumindest vorstellen“ konnten. Die Grünen, die genau wie die siegreiche SPD noch immer die Option einer rot-rot-grünen Koalition haben, warnen nun davor, dass eine Regierung mit den konservativen Kräften in der CDU undenkbar ist. „Setzt sich jedoch der Siegeszug des rechtskonservativen Flügels um Saskia Ludwig und Frank Bommert fort und bleibt es dort bei Spaltung und Chaos, wäre Kenia für uns erledigt.“
Chaos schon vor den eigentlichen Koalitionsverhandlungen
Eine rot-schwarz-grüne Koalition hätte fünf Stimmen mehr als nötig. Allerdings gibt es bei den 15 CDU-Abgeordneten sechs, die gegen Senftleben opponieren. SPD und Grüne haben klar gemacht, dass die CDU ihre Personalprobleme schnell klären muss, denn es muss klar sein, ob die Verhandlungsgruppe tatsächlich für die gesamte CDU-Fraktion spricht. Schon 2014 war der Wechsel der SPD von der Linkspartei zur CDU als Koalitionspartner am Ende doch noch gescheitert. Diesmal war schon vor den eigentlichen Koalitionsverhandlungen das Chaos offensichtlich.
Bevor Ingo Senftleben die Partei seit April 2015 zu einer für Brandenburger Verhältnisse ungewöhnliche Geschlossenheit führte, galt die märkische CDU als der zerstrittenste Haufen bundesweit, oft war von der „Brandenburger Schlachteplatte CDU“ die Rede. Offenkundiges Zeichen war, dass die Partei seit 1990 insgesamt 13 Parteichefs verbraucht hat. Die meisten blieben nicht länger als zwei Jahre. Bei Senftleben waren es mehr als vier Jahre.
Jan Redmann als Nachfolger im Gespräch
Wer nun sein Nachfolger wird, ist natürlich offen. Sein Rückzug soll ermöglichen, dass einer seiner Getreuen den Fraktionsvorsitz übernimmt. Dafür soll Jan Redmann im Gespräch sein. Allerdings dürfte das den Konservativen auch nicht recht sein, weil er ein Gefolgsmann Senftlebens ist. Er ist derzeit Parlamentarische Geschäftsführer.
Seit Tagen wird auch immer wieder der Landtagsabgeordnete Rainer Genilke ins Spiel gebracht, weil der zu keinem der beiden Lager gehört. Die Partei soll nach dem Willen Senftlebens vorläufig, bis zum Wahlparteitag im November, vom Bundestagsabgeordneten Michael Stübgen geführt werden. Der gilt als gestandener Mann, war zwischenzeitlich auch als Ostbeauftragter der Bundesregierung im Gespräch und ist derzeit hauptberuflich Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium. Das klingt nur auf den ersten Blick weit weg von der Potsdamer Partei, denn Stübgen gehört bereits dem Sondierungsteam an, das über die mögliche Regierungsbildung verhandelt.