Braunschweig: Polizei sagt Karnevalsumzug wegen Anschlagsgefahr ab

Das Bundesinnenministerium hatte gerade mitgeteilt, dass es nach den Attentaten von Kopenhagen keine erhöhte Terrorgefahr für Deutschland gebe, da lief auch schon die Nachricht über den Ticker, dass der Karnevalsumzug in Braunschweig wegen Anschlagsgefahr kurz vor dem Start abgesagt wurde.

Aus zuverlässigen Staatsschutzquellen sei bekannt geworden, dass „eine konkrete Gefährdung durch einen Anschlag mit islamistischen Hintergrund“ vorliege, erklärte die Polizei am Sonntag in Braunschweig. Die Hinweise seien aus Ermittlungen des Staatsschutzes hervorgegangen, es handele sich nicht um einen Drohanruf. Erst vor wenigen Wochen hatte eine Drohung gegen die anti-islamische Pegida-Bewegung zu einem Demonstrationsverbot in Dresden geführt.

Zum Braunschweiger Karneval waren am Faschingssonntag bis zu 250000 Besucher erwartet worden. Das Spektakel gilt als der größte Karnevalsumzug Norddeutschlands. Die großen Rosenmontagsumzüge in den Hochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz sollen gleichwohl wie geplant stattfinden. Ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministerium teilte mit, nach Rücksprache mit den Sicherheitsbehörden im Bund habe es das klare Signal gegeben, dass der konkrete Gefährdungshinweis ausschließlich für Braunschweig gegolten habe. Die Behörden seien allerdings sehr wachsam und stünden auch in engem Kontakt mit den Karnevalsvereinen in Rheinland-Pfalz.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach, bezeichnete gegenüber der Berliner Zeitung den Beschluss der Braunschweiger Polizei „eine unglaublich schwere Entscheidung, weil man sich Drohungen nicht beugen sollte, aber zugleich eine Verantwortung für den Schutz von Leib und Leben“ habe. Der CDU-Politiker, Rheinländer und leidenschaftlicher Karnevalist, will sich das Feiern aber nicht verderben lassen. Er könne zwar verstehen, wenn jemand nun ein ungutes Gefühl dabei habe. „Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen Sorge und Angst. Angst sollte man nicht haben. Wenn wir uns aus Furcht wegducken, haben die Extremisten gewonnen.“

Bosbach wies darauf hin, dass Massenveranstaltungen unter freiem Himmel wie Karnevalsumzüge fast gar nicht zu schützen seien; in Köln würden über eine Million Menschen erwartet, es sei schon organisatorisch unmöglich, jeden zu kontrollieren. Gleichwohl werde es sichtbare und unsichtbare Präsenz der Polizei geben. Die Anschläge von Kopenhagen haben nach den Worten des Innen-Experten gezeigt, dass solche Taten in einer liberalen und offenen Gesellschaft nicht ausgeschlossen werden können. Man könne auch nicht jede kritische Veranstaltung in einen Hochsicherheitstrakt verwandeln, so Bosbach.

Bei der jüdischen Gemeinde wächst die Angst

Ob es einen direkten Zusammenhang zwischen der Absage in Braunschweig und den Anschlägen in Kopenhagen gab, war am Sonntag ungewiss. Bei der jüdischen Gemeinde in Deutschland wächst nach dem Mord an dem Wachmann vor der Synagoge in Kopenhagen dennoch die Angst. Die Direktorin der jüdischen Organisation American Jewish Committee (AJC), Deidre Berger, sprach von einem schwierigen Balanceakt für Juden in Deutschland. „Wir wollen kein jüdisches Leben hinter Mauern, aber wir müssen zugleich unsere Sicherheit schützen.“

Angesichts der vielen tödlichen Angriffe auf jüdische Einrichtungen in Europa müsse das Sicherheitskonzept in jedem Fall neu überlegt werden, sagte Berger. Wichtig sei ihr aber, „dass überhaupt anerkannt wird, dass das jüdische Leben in Europa gerade gefährdet ist.“ Bislang habe sie nicht das Gefühl, dass dem so sei, fügte die gebürtige Amerikanerin hinzu, die seit 2000 das Berliner Büro des AJC leitet. So glaube sie nicht, „dass es nach den Anschlägen in Paris zu einer so großen Demonstration gekommen wäre, wenn es nur um das Attentat auf den jüdischen Supermarkt gegangen wäre“.