Breivik-Prozess in Norwegen: Der Gerichtssaal als Bühne

Er hat sie bekommen, die „weltweite Bühne“, von der Anders Breivik in seinem 1500 Seiten starken Manifest geschrieben hatte: Der Prozessauftakt wurde am Montag live im norwegischen Fernsehen gezeigt, auch viele ausländische Sender schalteten in den Gerichtssaal. Breiviks Aussagen in den kommenden Tagen aber werden nicht gezeigt werden, um dem Attentäter kein Forum zu bieten. Auch die Zeugenaussagen werden nicht gesendet.

In Deutschland wären Bilder aus dem Gerichtssaal unmöglich. Eine direkte Hörfunk- oder Fernsehübertragung ist verboten. Das soll nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins auch so bleiben. Der Auftritt Breiviks sei ein gutes Argument für das deutsche Rechtssystem, sagte ein Sprecher. Die Bühne, die Breivik am ersten Tag geboten wurde, sei kaum zu vermitteln und nahezu unerträglich, argumentierte der Verband.

Die Debatte, das Verbot zu lockern, flammt immer wieder auf. 2001 wies das Bundesverfassungsgericht eine Klage des Senders n-tv zurück, der 1995 live vom Prozess gegen Mitglieder des SED-Politbüros berichten wollte. Allerdings sprachen sich einige Richter dafür aus, in bestimmten Verfahren das Verbot zumindest zu lockern. Der heutige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, zeigte sich 2010 ebenfalls offen: „Wenn man nicht möchte, dass die Darstellung von Geschworenenprozessen in amerikanischen Anwaltsserien und Gerichtsshows à la „Barbara Salesch“ das Bild der Bürger von der deutschen Justiz prägen, dann muss man die Möglichkeit eröffnen, bei realen Prozessen ,mit dabei‘ zu sein.“

Gängige Praxis in den USA

In den USA ist die Übertragung von Gerichtsprozessen gängig. Der spektakulärste Prozess war wohl der gegen US-Footballstar O.J. Simpson. Zur Urteilsverkündung 1995 schalteten fast ein Dutzend Sender in den Gerichtssaal. Von der US-Gesetzgebung betroffen waren auch Deutsche: Das Trennungsdrama Barbara und Boris Becker durfte 2001 live übertragen werden. Unvergessen ein stammelnder Tennisstar, der sich den Fragen stellen musste.

Erinnerungen an Adolf Eichmann 1961

Auch andere Länder erlauben Filmaufnahmen. Hannah Arendts Befund von der „Banalität des Bösen“ erreichte wohl auch deshalb Berühmtheit, weil Millionen Menschen den Prozess gegen Adolf Eichmann 1961 in Israel im Radio oder im Fernsehen mitverfolgen konnten. Wer selbst erlebte, wie der Cheforganisator des Holocaust vor Gericht agierte, konnte verstehen, was Arendt meinte: Da saß kein Monster, sondern ein dienstbeflissener Bürokrat.

Auch die Bilder und Tonaufnahmen von den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen haben sich in das öffentliche Bewusstsein eingegraben. Die Nazi-Führung auf der Anklagebank, ihr kollektives „nicht schuldig“ bestimmen die Erinnerung nachhaltig mit. Die Urteilsverkündung am 1. Oktober 1946 wurde auf Beschluss der vier Besatzungsmächte über alle deutschsprachigen Sender übertragen.