Brexit: Keine klare Position über den EU-Austritt

London - Auf britischer Seite gibt es im Vorfeld der ersten Verhandlungsrunde über Großbritanniens EU-Austritt wenig Gewissheiten. Diese eine gehört dazu: Als Leiter der Londoner Delegation wird diesen Montag der zuständige Minister David Davis am Brüsseler Verhandlungstisch Platz nehmen.

Mochte Premierministerin Theresa May zwischendurch mit dem theatralischen Coup geliebäugelt haben, selbst den Vorsitz zu übernehmen, die Brandkatastrophe von Kensington dürfte ihr die Lust am Verlassen der Insel genommen haben. Es sähe zu sehr nach Flucht aus.

Konkurrent zum Brexit-Chefunterhändler verlor Mandat

Der 68-jährige Davis leitet seit Mays Amtsantritt im vergangenen Jahr das eigens gebildete Brexit-Ministerium. Vor der Unterhauswahl gab es bei den Konservativen Spekulationen darüber, die Regierungschefin wolle den früheren Europa-Staatssekretär und langjährigen EU-Feind durch den fast 20 Jahre jüngeren Benedict Gummer ersetzen. Doch der Kabinettsminister verlor seinen Sitz im Parlament.

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Und so wenige Gewissheiten es noch gibt im Brexit-geschüttelten Land, dieses eiserne Gesetz gilt: Ohne Mandat kein Sitz im Kabinett. Davis durfte bleiben, alle anderen wichtigen Minister auch.

Zu denen zählt Finanzressortchef Philip Hammond, dessen Ablösung in Mays innerem Zirkel offenbar beschlossene Sache war. Zu deutlich hatte der Schatzkanzler in den vergangenen Monaten die Sache der Wirtschaft und der City of London vertreten und gegen den „harten“ Brexit argumentiert. Damit ist der Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion gemeint, wie May ihn seit Monaten propagiert und auch in ihr Wahlprogramm schrieb.

Außenminister Boris Johnson führt im Kabinett die EU-Feinde an

Einen wichtigen Verbündeten erhielt Hammond bei der Kabinettsumbildung auf Gummers bisherigem Stuhl: Dort nahm der bisherige Sozialminister Damian Green Platz. Zusätzlich darf sich der Studienfreund der Premierministerin und eingefleischte Europafreund auch „Erster Minister“ und damit praktisch Vizepremier nennen. Zu dieser Gruppierung zählt auch Innenministerin Amber Rudd.

Hingegen erhielten die strammen EU-Feinde, angeführt von Außenminister Boris Johnson, Verstärkung durch Michael Gove im Umweltressort und durch den neuen Brexit-Staatssekretär Steven Baker.

Mays EU-Chefberater Oliver Robbins war vergangene Woche zweimal in Brüssel hat dort den Verhandlungsmodus abgesegnet. Bisher hatten die Briten stets darauf beharrt: Neben akut anstehenden Problemen – etwa dem zukünftigen Status von EU-Bürgern auf der Insel und der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland im Süden – sollten Davis und EU-Chefunterhändler Michel Barnier auch von Anfang an einen zukünftigen Freihandelsvertrag besprechen.

Alle vier Wochen werden Ergebnisse präsentiert

Der ist nun auf die lange Bank geschoben, ebenso Londons Wunsch nach größtmöglicher Geheimhaltung: Am besten sollte alles hinter verschlossener Tür ablaufen. Mit deutlich mehr Realitätssinn wies Brüssel darauf hin, dass bei 27 Mitgliedsstaaten das Durchstechen von Papieren an die Medien kaum vermeidbar sei. Nun soll in Vier-Wochen-Zyklen verhandelt werden, an deren Ende steht jeweils die gemeinsame Präsentation der erzielten Ergebnisse.

Bisherige Pläne in der Downing Street sahen vor, dass Davis bereits am Montag eine „großzügige Regelung“ für die Rechte der mindestens drei Millionen EU-Bürger im Land anbieten würde. Nun bleibt die angeblich positive Geste wohl der Premierministerin selbst vorbehalten, die am Donnerstag zum Brexit-Gipfel reisen will.

London will „rechtliche Verpflichtungen“ einhalten

In Brüssel wird man sehr genau aufs Kleingedruckte achten. Unter anderem geht es um die Terminfrage: Ist der 29. März 2017 oder 2019 Ende der Fünf-Jahres-Frist, die EU-Bürger auf der Insel verbracht haben müssen, um dauerhaft bleiben zu dürfen?

Ein Streitpunkt bleibt die Frage künftiger Zahlungen. In Brüssel kursieren teils abenteuerliche Rechnungen von bis zu 100 Milliarden Euro. Experten wie Iain Begg von der London School of Economics halten Summen von rund 30 Milliarden für realistisch. London spricht davon, „rechtliche Verpflichtungen“ einzuhalten, also für schon beschlossene Projekte auch über das Ende der Mitgliedschaft hinaus zu bezahlen.