Bundestagswahl: Gesundheitspolitik im Wahl-Check: Das versprechen die Parteien ihren Wählern
Berlin - Dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer wird die Erkenntnis zugeschrieben, dass man mit dem Thema Gesundheit keine Wahlen gewinnen, wohl aber verlieren könne. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und die Fachpolitiker der großen Koalition sind diesem Motto in den vergangenen Jahren konsequent gefolgt: Statt die gute Wirtschaftslage und die sprudelnden Beitragsquellen dafür zu nutzen, längst überfällige Reformen umzusetzen, wurde das Geld mit vollen Händen ausgegeben, auch um Probleme zu verdecken und Lobbyisten zufrieden zu stellen.
Für die Versicherten sind die Verbesserungen dabei überschaubar geblieben. Lobenswerte Ausnahme: Der lange verschleppte und nun endlich verwirklichte Umbau der Pflegeversicherung.
In Deuschland wird zu viel operiert
Deutschland verfügt über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, aber auch über eines der teuersten. Experten beschrieben das schon vor Jahren mit dem Satz, in Deutschland gebe es ein Nebeneinander von Über-, Unter- und Fehlversorgung. Hierzulande wird im internationalen Vergleich zu viel untersucht, analysiert und vor allem operiert, ohne dass die Bevölkerung gesünder wäre als in an vielen anderen europäischen Ländern.
Deutschland leistet sich teure Parallelstrukturen, die Experten die „doppelte Facharztschiene“ nennen: Kliniken und niedergelassene Ärzte konkurrieren miteinander, eine sinnvolle Verzahnung und Planung existiert nicht. In den Städten drängeln sich die Ärzte, dennoch sind die Notaufnahmen voll. Auf dem Land herrscht Mangel. Die Lücken im Personal werden in allen Bereichen immer größer, da in den kommenden Jahren viele Mediziner in den Ruhestand gehen. Die Kliniken und Pflegeheime suchen schon jetzt händeringend Personal.
Kaum Antworten der Koalition
Das alles ist seit Jahren bekannt, doch die große Koalition hat darauf kaum Antworten gefunden. Exemplarisch dafür steht die Klinikreform: Bundesweit gibt es zu viele Betten, jedes fünfte Krankenhaus schreibt Verluste. Die Antwort wäre die Schließung unrentabler Häuser, eine stärkere Spezialisierung sowie eine bessere Vernetzung mit dem ambulanten Sektor.
In den ersten Entwürfen für die Klinikreform gab es gute Ansätze, doch diese wurde dank intensiver Lobbyarbeit aus unterschiedlichen Richtungen sehr stark verwässert. Am Ende legte die große Koalition so viel Geld drauf, dass selbst schlecht laufende Kliniken zunächst weiter überleben können.
Koalition hat sich selbst ausgebremst
Mächtig in die Hose gingen auch alle Versuche der Koalition, die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben. Zwar setzte Gröhe einige Fristen, um die elektronische Gesundheitskarte endlich mit Funktionen zu versehen, die den Patienten auch nutzen, wie ein elektronisches Rezept oder eine elektronische Patientenakte. Doch der Minister selbst ließ dann zu, dass diese Fristen wieder straflos gerissen werden konnten. Tatkräftig sorgte die Koalition dann unsinnigerweise selbst dafür, den Fortschritt zu bremsen: Völlig ohne Not beschlossen Union und SPD, ein Fernbehandlungsverbot im Gesetz zu verankern.
Dabei gelten Online-Sprechstunden als sinnvolles Mittel, um die Bevölkerung auf dem Land auch in Zukunft gut versorgen zu können. Kurz vor Ende der Wahlperiode wollte Gröhe dann auch noch den Versandhandel mit Medikamenten verbieten, um der mächtigen Apothekenlobby zu gefallen. Es liegt auf der Hand, dass gerade der Versandhandel drohende Versorgungslücken schließen kann. Der Minister wollte davon nichts wissen.
Die aus Sicht der Versicherten ungünstigste Neuerung hatten die Koalitionäre bereits ganz am Anfang der Wahlperiode beschlossen: Das Einfrieren des Arbeitgeberanteils. Seitdem müssen die Versicherten alle Kostensteigerungen allein über den Zusatzbeitrag bezahlen. Das ist bisher noch nicht dramatisch, weil die Beiträge dank der soliden Konjunkturlage weitgehend stabil sind. Doch die milliardenschweren Reformen – allein die Klinikreform kostet jährlich zwei Milliarden Euro – werden spätestens in der kommenden Wahlperiode zu einem deutlichen Anstieg des Zusatzbeitrags führen, wenn nicht wieder zu einer paritätischen Finanzierung zurück gekehrt wird.
Die Einführung der Pflegeversicherung
Auf der Haben-Seite dieser großen Koalition stehen eindeutig die Verbesserungen bei der Palliativ- und Hospizversorgung und die Pflegereform, die endlich Schluss macht mit der Benachteiligung von Demenzkranken bei den Unterstützungsleistungen. Die größte Reform seit der Einführung der Pflegeversicherung vor mehr als 20 Jahren wurde dank guter Vorbereitung reibungslos eingeführt, was die Bilanz der großen Regierung in der Gesundheitspolitik aufbessert.