China warnt vor Putins Atombombe
In Peking beobachtet die Führung den Krieg in der Ukraine mit Sorge. Russland könnte in die Enge getrieben werden und taktische Atomwaffen einsetzen.

Der chinesische Militärexperte Oberst i. R. Zhou Bo von der Universität Tsinghua, der sich aus Anlass der Europa-Reise des obersten chinesischen Außenpolitikers Wang Yi auch in Berlin aufhielt, sagte der Berliner Zeitung: „China ist sehr besorgt über die Eskalation in der Ukraine. Ich fürchte, dass Russland auf taktische Atomwaffen zurückgreifen könnte, wenn der Westen weiterhin immer mehr Waffen in die Ukraine schickt. Der Krieg könnte eine Logik entwickeln, bei der Russland keine anderen Optionen hat. Dieses Szenario muss unter allen Umständen verhindert werden.“
Ob Russland China informieren würde, bevor ein Nukleareinsatz erfolgt ist unklar. China habe „sowohl mit Washington als auch mit Moskau eine Kommunikationslinie auf militärischer und politischer Ebene“, sagte Zhou. Die Frage sei, „wann diese Kanäle genutzt werden könnten“. China wolle in dem Krieg keinen Einfluss nehmen. Russland sei „nicht verpflichtet, China über seine militärischen Aktivitäten zu informieren“. Zhou sagte: „China ist und bleibt in diesem Konflikt neutral.“ Und er kritisierte die westliche Darstellung des Krieges. Er sagte: „Es ist seltsam, von der Ukraine als einem kleinen Land zu sprechen, das Selbstverteidigung braucht, da Russland ganz alleine gegen ein Land kämpfen muss, das vollständig von der größten Militärallianz der Welt, der Nato, unterstützt wird.“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor nachlassender Bereitschaft zur Hilfe für die von Russland angegriffene Ukraine gewarnt. Russlands Staatschef Wladimir Putin setze auf westliche Ermüdungserscheinungen, sagte Selenskyj am Freitag bei der Münchner Sicherheitskonferenz per Video. Selenskyj forderte die Konferenzteilnehmer dazu auf, den eigenen Gesellschaften den Sinn von Sanktionen gegen Russland immer wieder aufs Neue zu erklären. „Man darf nicht müde werden zu erklären, wer den Krieg begonnen hat und warum“, unterstrich er.
Kurz vor Beginn der Konferenz hatte Selenskyj der BBC gesagt, er werde auf keinen Fall mit dem russischen Präsidenten verhandeln. „Mit Putin? Nein. Es gibt kein Vertrauen.“ Zugleich erneuerte er seine Forderung nach mehr westlichen Waffen. Waffen seien „die einzige Sprache, die Russland versteht“. Putin dürfe keine Chance bekommen, sich Zeit zu kaufen für seine Aggression. Selenskyj erwartet den Sieg der Ukraine: „Goliath wird auf jeden Fall dieses Jahr fallen.“
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hält einen Sieg der Ukraine im Krieg gegen Russland ebenfalls für möglich. Deswegen unterstütze die Allianz das Land, sagte er in München laut dpa. Der Krieg werde möglicherweise am Verhandlungstisch enden, aber man wisse, dass das Geschehen am Verhandlungstisch vollkommen von der Stärke auf dem Schlachtfeld abhängig sei.
Militärexperten erwarten daher noch keine konkreten Gespräche zwischen den USA und Russland. Philipp Eder, Leiter der Abteilung Militärstrategie beim österreichischen Bundesheer, sagte der Berliner Zeitung: „Die Russen werden den Amerikanern signalisiert haben, dass sie im Moment keinen Grund haben, die Kämpfe zu beenden. Daher wollen die Amerikaner mehr Waffen schicken, um Putin zum Einlenken zu zwingen.“
Die Aussage von Stoltenberg, dass der Krieg bereits seit 2014 dauere, sei „nicht überraschend oder neu“. Eder sagte: „Seit 2014 haben Nato-Mitgliedsstaaten die Ukraine unterstützt, mit Gerät, Ausbildung und Training. Das haben die Russen gesehen und irgendwann gesagt, jetzt ist es genug, sonst wird die Ukraine militärisch zu stark.“ Die Nato könnte sich theoretisch, so Eder, „dazu entschließen, in der Ukraine einen Out-of-area-Einsatz durchzuführen, der nicht der Beistandspflicht unter Artikel 5 unterliegt“. Politisch halte er diese jedoch für ausgeschlossen: „Das hätten die Politiker seit 2014 bereits beschließen können. Das tun sie aber nicht, da sie keinen Krieg der Nato gegen Russland führen wollen.“
Im Grunde seien „mittlerweile alle Beteiligten über den Konflikt unglücklich, aber keiner weiß, wie man ihn im Moment beenden kann“. Immerhin, so Eder: „Die Kanäle zwischen den Amerikanern und Russen sind sicher offen und werden auch genutzt.“ Er hält eine Eskalation dennoch für möglich: „Die rote Linie für Russland ist die Krim: Wenn die Ukraine dort angreift, könnte Russland in seiner eigenen Sicherheitslogik taktische Atomwaffen einsetzen.“