„Cool“ oder ein „Desaster“? Das sagt Warschau zum Besuch von Joe Biden
Der US-Präsident hält am Dienstag bei seinem Besuch in Polen eine Rede. Das ruft in Warschau unterschiedliche Reaktionen hervor. Stimmen aus der Stadt.

Joe Biden ist am Dienstag und Mittwoch zu Besuch in Warschau. Der US-Präsident will unter anderem in den Kubicki-Arcaden am Königsschloss in der Altstadt eine „wichtige Rede“ halten. Der amerikanische Botschafter in Warschau, Mark Brzeziński, sprach in dem Zusammenhang von einem „historischen Moment“. Sehen das auch die Bewohner der polnischen Hauptstadt so? Was halten sie von dem zweiten Besuch Bidens innerhalb eines Jahres?
Aleksandra ist auf dem Weg zum Kulturpalast und sagt, sie plane nicht, sich die Rede anzuhören. Sie müsse arbeiten. Außerdem werde Biden nicht zu den Polen, sondern zu den Ukrainern sprechen, meint die 30-Jährige. Sie war früher oft in der Ukraine zu Besuch. Sie sei nicht sonderlich interessiert an Politik, aber in ihrem Leben habe sich „viel geändert“ seit dem Krieg.
Transportschwierigkeiten in Warschau wegen Biden-Besuch
Lukas Dziedzic ist ebenfalls vor dem Kulturpalast unterwegs. Er ist interessiert an Politik, vor allem an amerikanischer. Der Besuch Bidens werde jedoch für Polen sein wie für alle anderen Länder auch, sagt er. Die 26-jährige Emilia sagt, ihr sei der Besuch egal. Dass der Besuch für Transportschwierigkeiten sorge, werde sie nicht betreffen, da sie von zu Hause aus arbeitet.
Basma al Oubaidi lebt in Kanada und ist für einen Zwischenstopp aus Istanbul nach Warschau gekommen. „Biden ist der schlimmste Präsident – direkt nach Trump“, sagt sie. Sie ist „natürlich“ für Friedensverhandlungen. Die USA und Großbritannien würden den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einen Krieg treiben. „Der Krieg ist unnötig“, so al Qubaidi weiter. Sie stamme ursprünglich aus dem Irak und wisse daher, was Krieg bedeute.

Belarussin: „Sieg der Ukraine wird uns helfen, Diktatoren loszuwerden“
Dem amerikanischen Botschafter in Warschau zufolge sollen alle Polen sich eingeladen fühlen, der Rede zu lauschen. Unterwegs in Warschau winken jedoch viele Menschen ab und sagen, sie seien nicht an Politik interessiert.
Die Belarussen, mit denen die Berliner Zeitung in Warschau gesprochen hat, äußern sich durchweg positiv. So zum Beispiel die 29-jährige Hanna. Sie hat 2020 an den Protesten in Belarus teilgenommen und lebt nun in Warschau. Sie hofft auf die Unterstützung Joe Bidens. „Wir hoffen, dass die Amerikaner eine Lösung mit den Polen finden werden und den Ukrainern mehr militärische Unterstützung gewähren“, sagt sie. „Der Sieg der Ukraine wird uns helfen, die Diktatoren loszuwerden.“
„Joe Biden ist cool“
Ortswechsel. Marius Olszewski ist an der Krakowskie Przedmieście vor der Universität Warschaus unterwegs. Der Pole freut sich auf den Besuch. „Joe Biden ist cool“, sagt er. Er wolle sich die Rede im Fernsehen anschauen. Sie beginnt am Dienstag um 17.30 Uhr. Am selben Tag will Wladimir Putin eine Rede zur Lage der Nation vor dem russischen Parlament halten.
Der 29-jährige Maciej ist ebenfalls positiv gestimmt. „Wir alle hoffen, dass Amerika die Ukraine stark unterstützt und die Nato-Verbündeten überzeugt.“ Das sei umso wichtiger, da der Krieg momentan nicht zu einem Ende kommen werde.
Nicht alle sind sich sicher, ob sie Joe Biden trauen können
Etliche Straßen in der polnischen Hauptstadt sind wegen des Besuchs gesperrt. Der Bürgermeister von Warschau, Rafał Trzaskowski, sagte laut der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza, dass die Bevölkerung mit außergewöhnlich großen Transportschwierigkeiten rechnen müsse – insbesondere im Zentrum und auf dem Weg zum Chopin-Flughafen.
Agnieszka Nowak sagt scherzhaft, das Ganze sei für sie ein „Desaster“. Sie wisse nicht, wie sie von der Arbeit nach Hause kommen solle. Die ganze Stadt sei immer dann dicht, wenn ein US-Politiker komme.
Mariusz Kalicinski fragt, ob er sich auch „politisch unkorrekt“ äußern dürfe. „Ich weiß nicht, ob ich Joe Biden trauen kann“, sagt er. Biden sei „ein wahrer Katholik“. Gleichzeitig sei der US-Präsident für Abtreibung. Das verwirre ihn. In Polen herrschen strenge Gesetze gegen Schwangerschaftsabbrüche.
„Ich weiß nicht, ob Amerika Polen und der Ukraine wirklich hilft oder ob sie nur ihre eigenen Ziele verfolgen“, fährt Kalicinski fort. Die Welt ist nicht schwarz-weiß. „Stärkere Länder sollten schwächere nicht für ihre eigenen Geschäfte oder Ziele nutzen“, so der 33-jährige Pole.
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