Corona, Nationalismus und unser Geld

In der Krise muss alles versucht werden, damit Europa gut aus der Krise herauskommt. Das erfordert Mut, Großzügigkeit und die Abkehr vom Prinzip „Deutschland zuerst“, meint Götz Aly.

Berlin-Das Märchen „Tischlein deck dich“ handelt vom Wünsch-dir-was, weshalb auch der Goldesel zu dieser Geschichte gehört. Auf das Codewort „Bricklebrit“ hin lässt er – „vorn und hinten gleichzeitig“ – jede Menge Goldstücke herausklickern. Wenig überraschend zog sein Besitzer Missgunst auf sich, weshalb es des „Knüppels aus dem Sack“ bedurfte. Je verdächtiger sich irgendein Interessent oder Neider annäherte, „desto kräftiger schlug der Knüppel diesem den Takt dazu auf den Rücken“.

Symbolbild
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Das Märchen führt ins nationalistische Milliarden-Klickern der Corona-Krise. Die Grünen fordern den Kauf-vor-Ort-Gutschein von 250 Euro pro deutschem Jedermann. Familienministerin Giffey (SPD) beantragt 300 Euro pro deutsches Kind. Oberschlau bietet Armin Laschet (CDU) das Doppelte – 600 Euro. Er möchte Bundeskanzler werden, und man fragt sich zunehmend, ob er die dafür nötige innere Stärke und Übersicht besitzt. Markus Söder (CSU) möchte „Freude für die Menschen bringen“, indem er Landsleute, die in Deutschland urlauben, mit Gutscheinen beglückt. Olaf Scholz (SPD) will klamme deutsche Kommunen mit knapp 60 Milliarden verwöhnen. Unausgesprochen lautet die Devise: Alles für Deutsche!

Weil die Folgen der Corona-Krise nicht absehbar sind, bedarf es jedoch der Weitsicht. Es wirkte entspannend, den Berliner Kleinstunternehmern und Freischaffenden schnell mit ein paar Tausend Euro Überbrückungsgeld zu helfen. Da mit solchen Maßnahmen stets Missbrauch verbunden ist, sollte dem mit Strenge nachgegangen werden. Das Kurzarbeitergeld hilft im Krisenfall eindeutig, aber es war falsch, die Zahlungen zu erhöhen. So mindert man das Durchhaltevermögen und die Reserven für wichtigere Zwecke. Aus demselben Grund sollten schon beschlossene Gesetze, die die Sozial- und Steuerkassen zusätzlich belasten, aufgeschoben werden. In den nächsten Tagen wird es um Überbrückungskredite für Unternehmen gehen, um Steuererleichterungen, Konsumanreize, Gemeindefinanzen usw. Da kann der Gesetzgeber viel falsch machen, dem Druck wohlbekannter Verdächtiger weichen, Probleme verschieben – oder entschlossen auf neue, zukunftsfähige Entwicklungen setzen. Aber alle diese Maßnahmen beziehen sich auf Deutschland. Deshalb war es richtig, dass Emmanuel Macron und Angela Merkel den nationalistischen Rahmen sprengten und einen EU-Hilfsfonds von 500 Milliarden Euro vorschlagen. Wir sollten anderen Ländern helfen – auch außerhalb der Europäischen Union, auch Russland – und schon aus diesem Grund unsere Geldreserven nicht nur selbst verjuxen.

Gewiss, es macht stutzig, wie der französische Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire diese Mittel ausgeben will: für Autozulieferer, Luftfahrtindustrie, Tourismus, Gastronomie und konsumfördernd für private Haushalte. Als Verteilungskriterium innerhalb der EU nennt er „die Zahl der Corona-Toten“ pro 100.000 Einwohner und „besonders kleine finanzpolitische Spielräume“ einzelner Staaten, die, wie jeder weiß, nicht von Corona verursacht sind. Über Einzelheiten wird zu reden sein. Dennoch muss in der Krise und angesichts der Konfrontation USA-China alles versucht werden, damit Europa insgesamt gut aus der Krise herauskommt. Das erfordert Mut und Disziplin, klare Ziele für Hilfen und Investitionen, aber auch Großzügigkeit und die Abkehr vom Prinzip „Deutschland zuerst“.