„Das ist ein Staatsgeheimnis“: Nord-Stream-2-Chef über Putins Ziele in der Ukraine

Nordstream-Geschäftsführer Matthias Warnig spricht in einem Interview von seinem Treffen mit Putin kurz nach Beginn der Invasion – und davon, wie der Krieg sein Leben verändert hat.

Der Geschäftsführer der Nord Stream 2 AG, Matthias Warnig
Der Geschäftsführer der Nord Stream 2 AG, Matthias WarnigJens Büttner/dpa

Matthias Warnig ist ehemaliger Major des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR und gilt als ein enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er ist Geschäftsführer des insolvenzbedrohten Pipeline-Betreibers Nord Stream 2 AG mit Sitz in der Schweiz, der zu 100 Prozent zu Gazprom gehört, und etwa der einzige Deutsche, der auf der Sanktionsliste der USA steht.

In einem Gespräch mit der Zeit hat Warnig nach vielen Monaten das Schweigen gebrochen. Seit Oktober führt das Finanzamt im badischen Müllheim eine große Steuerprüfung bei ihm durch, weil er, wie die Zeit expliziert, in den Verdacht geraten sei, „ein russischer Vasall“ zu sein.

Er sei „toxisch“, erzählt der 67-Jährige, selbst die wenigen verbliebenen arglosen Freunde müsse er davor schützen, durch seine Nähe vergiftet zu werden. Seine Konten seien seit Kurzem eingefroren, selbst seine deutsche Bank habe die Verbindung zu ihm aus Angst vor den USA gekappt.

Warnig zu Putin: „Was sind deine Ziele?“

Warnig erzählt weiter, wie er wenige Tage vor der russischen Invasion einen einflussreichen amerikanischen Politiker in Brüssel getroffen habe, der ihn vor dem russischen Angriff auf die Ukraine warnte. Warnig jedoch, der einen rational wirkenden Putin kurz davor in Moskau erlebt hatte, habe dem Amerikaner nicht geglaubt und ihn beschimpft. Seine Warnung habe er als lächerlich wahrgenommen.

Ein paar Monate später hat er sich nach eigenen Angaben wieder mit Putin in Moskau getroffen. Sie hätten wie immer Deutsch gesprochen. Warnig habe Putins Ziele in der Ukraine herausfinden wollen und ihn mit der Frage direkt konfrontiert: „Was sind deine Ziele?“ Er habe versucht, Putin davon zu überzeugen, den Krieg zu beenden.

„Du redest von Donezk und Luhansk, gleichzeitig wollen deine Truppen Kiew einnehmen. Wie geht das zusammen? Willst du Odessa oder Charkiw oder die ganze Ukraine oder noch mehr?“, gibt Warnig seine Fragen wieder. Aber Putin habe bloß geantwortet: „Das ist ein Staatsgeheimnis.“ Plötzlich hatten sich zwei Freunde nichts mehr zu sagen, bedauert der Deutsche.

Nach Warnigs Angaben hat Putin ihm daraufhin vorgeschlagen, seine Familie nach Moskau zu bringen. „Wir finden hier was für dich“, so Putins Tenor. Doch Warnig habe die Idee sofort abgelehnt. Nein, er wolle nicht hinter hohen Mauern leben. In „Putins Reich“ würde er sich verloren fühlen, sagt Warnig dem Zeit-Reporter.

Matthias Warnig und Gerhard Schröder warten auf einen Empfang des russischen Präsidenten Wladimir Putin anlässlich des 70. Geburtstags des Altkanzlers in Moskau, 28. April 2014.
Matthias Warnig und Gerhard Schröder warten auf einen Empfang des russischen Präsidenten Wladimir Putin anlässlich des 70. Geburtstags des Altkanzlers in Moskau, 28. April 2014.Anatoly Maltsev/dpa

Mit Gerhard Schröder hat Warnig im Mai 2022 Rosneft verlassen

Aber auch in seiner deutschen Heimat bei Freiburg im Breisgau stoße Warnig nun auf Misstrauen. Ein Nachbar habe ihm damit gedroht, seinen Hund umzubringen. Als der Hund plötzlich an inneren Blutungen starb, habe sich Warnig den naheliegenden Gedanken verboten, die Leiche obduzieren zu lassen. Denn er wollte keine weiteren Konflikte. Das Gespräch mit der Zeit führte er übrigens aus einer Ferienwohnung auf Gran Canaria.

Im Mai des letzten Jahres hatte Matthias Warnig zusammen mit dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder den Aufsichtsrat des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft verlassen.

Schröder hatte zudem den Posten als Aufsichtsratschef der Nord Stream 2 AG aufgegeben. Warnig hatte zwar bereits am 24. Februar sein Mandat im Aufsichtsrat des FC Schalke 04 niedergelegt, blieb jedoch Geschäftsführer des Pipeline-Betreibers.