Berlin - Zweifelhafte Verdienste um die Verletzung der Privatsphäre und des Datenschutzes werden in Deutschland jedes Frühjahr mit Preisen bedacht – den Big Brother Awards. In diesem Jahr erhielt die unerwünschte Auszeichnung auf dem Gebiet „Lifetime“ der Verfassungsschutz.
Gewürdigt werde der Inlandsgeheimdienst insbesondere für Überwachung und Stigmatisierung staats- und gesellschaftskritischer Gruppen und Personen, für sein unkontrollierbares V-Leute-System, für heillose Verflechtungen in mörderische Neonazi-Szenen und die Vertuschung illegaler Praktiken, hieß es in der Begründung der Jury.
Trotz ihrer Skandalgeschichte würden die Verfassungsschutzbehörden nicht wirksam gezügelt, sondern noch weiter aufgerüstet und mit neuen Geheimbefugnissen ausgestattet. Die Preise, die vom Verein digitalcourage gestiftet und verliehen werden, wurden am Freitagabend in Bielefeld feierlich übergeben.
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Chance.org mit etlichen Mängel
In der Kategorie „Wirtschaft“ wurde die US-Firma und Kampagnenplattform Change.org mit einem Big Brother Award 2016 für ihr Geschäftsmodell gewürdigt, personenbezogene Daten von Unterzeichnern zusammen mit deren politischen Meinungsäußerungen zu vermarkten.
Change.org trete zwar als alternatives Projekt auf, sei aber eine gewinnorientierte US-Firma. Dabei gebe es datenschutzrechtlich etliche Mängel, beispielsweise würden die Daten der Nutzer weiterhin in den USA gespeichert, obwohl der Europäische Gerichtshof das „Safe Harbor„-Ankommen für ungültig erklärt habe.
Auch BVG zählt zu den „Gewinnern“
Mit einem Preis wurden auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bedacht. Sie bekamen ihn in der Kategorie Technik für ihre elektronische VBB-Fahrcard, auf der bei jedem Einsteigen Datum, Uhrzeit, Buslinie und Haltestelle abgespeichert worden waren. Preiswürdig sei vor allem die Informationspolitik der BVG, die lange wider besseres Wissen behauptet habe, dass eine solche Speicherung technisch unmöglich sei.
Auf dem Gebiet Verbraucherschutz erhielt die Generali-Versicherung den Preis. Sie verspreche ihren Versicherten Vorteile, wenn diese ihre Fitnessdaten und ihr Einkaufsverhalten per App an die Versicherung weitermeldeten die sie wiederum an ein Bonuspunkte-System nach Südafrika übermittele.
Das führe zur „Entsolidarisierung“ und widerspreche dem „Grundgedanken unseres Sozialsystems“.
IBM kontrilliert Sozialverhalten der Angestellten
Die Firma IBM bekam den Preis in der Kategorie Arbeitswelt für ihre Software „Social Dashboard“, mit der Firmen das Sozialverhalten von Angestellten kontrollieren und auswerten können. Es handele sich um einen Versuch, die Bewertung von sozialem Verhalten einer Maschine zu überlassen, hieß es in der Begründung der Jury.