Der Angriff auf den Irak vor 20 Jahren war ein eklatanter Bruch des Völkerrechts

Die Kritik am Bruch des Völkerrechts 2003 stärkt die uneingeschränkte Kritik am Bruch des Völkerrechts durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Ein Gastbeitrag von Heidemarie Wieczorek -Zeul.

Ein britischer Soldat im Irak im Jahr 2003
Ein britischer Soldat im Irak im Jahr 2003dpa

Am 20. März 2003 begann der angekündigte Krieg unter maßgeblicher Führung der USA gegen den Irak. Zwanzig Jahre sind seit dieser Zeit vergangen.

Ich habe der damaligen Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer angehört. Ich habe damals diesen Krieg als ein Verbrechen bezeichnet. Und ich bin stolz darauf, dass wir als Bundesregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen alles uns Mögliche versucht haben, diesen Krieg zu verhindern. Wir haben auch erreicht, zusammen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan, dass der UN-Sicherheitsrat seine Zustimmung zu diesem angeblichen „Präventivkrieg“ verweigerte.

Gerhard Schröders Kurs war 2003 richtig

Das Vorgehen der US-Regierung unter George W. Bush war ein eklatanter Bruch des Völkerrechtes, unter Vorlage gefälschter Beweise für angebliche Massenvernichtungswaffen, die aber auch nachträglich niemals durch UN-Kontrolleure gefunden werden konnten. Der damalige US-Außenminister Colin Powell hat dieses betrügerische US-Vorgehen bei einer UN-Sicherheitsratssitzung später voller Scham eingeräumt.

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Foto: imago/Bernd Elmenthaler
Zur Autorin
Heidemarie Wieczorek-Zeul wurde am 21. November 1942 in Frankfurt am Main geboren. Sie ist eine deutsche Politikerin (SPD). Von 1998 bis 2009 war sie Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, also in der Zeit, als der Irak-Krieg begann. Sie war Ministerin in der Regierung Schröder.

Wie auch immer man Gerhard Schröder heute bewertet, in der Frage der Ablehnung des Krieges gegen den Irak hat er in all diesen Monaten, in denen massiver Druck auf ihn ausgeübt wurde, Kurs gehalten. Für uns in der Bundesregierung blieb letztlich die Bewertung stehen, dass Saddam Hussein natürlich ein Regime führte, das wir alle ablehnten, aber ein Angriffskrieg nicht zu rechtfertigen sei und Deutschland ihn daher auch nicht unterstützen könne.

Und all das, was wir damals als Konsequenz des Vorgehens der US-Regierung einwandten, trat ein.

Der 20. Jahrestag des Beginns des Krieges gegen den Irak

In der Zeit bis zum Abzug der US-Kampftruppen im Jahr 2011 verloren Hunderttausende von Irakern und Irakerinnen ihr Leben. Die Region zerfiel in unterschiedliche Interessengruppen und terroristische Gewaltaktionen breiteten sich aus. Al-Kaida im Irak war Folge des Krieges und nicht, wie die US-Regierung vorgab, die Ursache.

Und die Rolle des Iran wurde stärker. Die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf die Situation in Afghanistan wurde abgelenkt. Das spätere Erstarken des IS kann als weitere Folge der fundamentalen Erschütterung der Region gewertet werden, zumal es den USA und ihren Verbündeten unmittelbar nach ihrer Eroberung nicht gelang, eine für die Menschen im Irak und in der Region überzeugende Regierungs- und Gesellschaftsordnung mit zu verwirklichen, die als Leuchtturm für Zusammenarbeit mit dem Westen getaugt hätte.

Der 20. Jahrestag des Beginns des Krieges gegen den Irak sollte all denen, die damals den Krieg unterstützten, in Deutschland, in Europa insgesamt, all denen, die den Krieg aktiv führten, die Regierungen der USA und Großbritanniens Anlass sein, ihre folgenreichen Fehleinschätzungen, ihre Schuld vor der Weltgemeinschaft einzuräumen.

Wir brauchen eine Reform der UN

Das wäre gerade heute wichtig, um deutlich zu machen, dass der Westen eben nicht nach doppelten Standards handelt. Es wäre wichtig, um ein Zeichen der Glaubwürdigkeit gegenüber all den Ländern zu setzen, vorwiegend im Globalen Süden, die sich weigern, eine klare Position der Verurteilung des russischen Völkerrechtsbruchs zu beziehen, weil sie hier doppelte Standards ins Feld führen.

Die Kritik am Bruch des Völkerrechtes des Jahres 2003 mindert nicht, sondern stärkt die uneingeschränkte Kritik am Bruch des Völkerrechtes durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Für die Zukunft des internationalen Rechtes wäre es wichtig, dass die Weltgemeinschaft einräumt: Die Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrates ist historisch überholt. Alle Regionen, insbesondere Afrika, müssen angemessen in diesem Gremium vertreten sein, und das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat muss endlich fallen, damit Großmächte mit ihrem Veto das Handeln der UN nicht mehr blockieren können.

Dies immer wieder zu fordern, ist nicht naiv. Es ist die folgerichtige Konsequenz aus der Beobachtung, dass große Mächte ihre Macht auch missbrauchen. Institutionen und das Recht dürfen nicht dazu beitragen, diesen Zustand abzusichern, sondern sollen dazu beitragen, ihn zumindest abzumildern und am besten zu verhindern. Natürlich gibt niemand Privilegien ohne Weiteres auf.

Aber ohne dass wir Ungerechtigkeiten und Fehlentwicklungen benennen, geschieht es erst recht nicht.

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