Der Blick von außen: „Berlin ist wütend!“ Internationale Medien zur Wahl

„Wahlklatsche für Olaf Scholz“ im „dysfunktionalen“ Berlin. Wird die deutsche Hauptstadt jetzt zu einer „normalen Stadt“? Wie ausländische Medien die Wahl in Berlin kommentieren. 

Eine Frau in einem Einhorn-Kostüm gibt am Sonntag in einem Wahllokal in Berlin-Friedrichshain ihren Stimmzettel  ab. 
Eine Frau in einem Einhorn-Kostüm gibt am Sonntag in einem Wahllokal in Berlin-Friedrichshain ihren Stimmzettel ab. Bernd von Jutrczenka/dpa

Eine Gemeinsamkeit haben die Berichte in den meisten internationalen Medien über die Wahl in Berlin: Es gibt kaum welche, die über das knappe Vermelden des Wahlergebnisses hinausgehen.

Die neue Bürgermeisterin bleibt voraussichtlich die alte, obwohl ihre Partei klar verloren und die Opposition zehn Prozent mehr Wählerstimmen bekommen hat. Muss man das verstehen?

Eine internationale Presseschau am Montag zeigt: Die meisten ausländischen Medien verzichten darauf, die komplizierten Aspekte der Regierungsbildung in der deutschen Hauptstadt zu erklären, und sehen das Berliner Wahlergebnis eher als „Ende einer Ära“. Allerdings nicht in Bezug auf die mögliche Regierungskoalition, sondern eher, was das Image der Stadt nach außen betrifft. Dabei wird häufig der Spruch „Ich bin ein Berliner“ von John F. Kennedy (1963) zitiert, der mittlerweile 60 Jahre alt ist.

„Vielleicht hat die Stadt erkannt, dass sie nicht mehr arm, ‚aber sexy‘ ist, wie der legendäre Bürgermeister Klaus Wowereit 2003 sagte“, schreibt etwa die italienische La Repubblica.

Auch andere Medien erinnern an den charismatischen ehemaligen Berliner Bürgermeister, der wie kein anderer international für den Geist Berlins in den vergangenen zwei Jahrzehnten steht: „Wird die am stärksten linksgerichtete Hauptstadt der EU bald konservativ?“, titelt EUobserver: Würde die Stadt künftig von der CDU regiert, wäre es für Berlin „ein katastrophaler Imageverlust“.  

„Berlin ist nicht Deutschland“: die dysfunktionale Stadt

Eine weitere Gemeinsamkeit der Berichte zur Berlin-Wahl: In fast allen wird betont, wie „wenig Deutschland“ Berlin ist. „Es kommt nicht alle Tage vor, dass ausländische Beobachter benötigt werden, um eine Wahl in Deutschland, einer der reichsten und stabilsten Demokratien des Westens, zu beobachten. Andererseits ist Berlin keine gewöhnliche Stadt“, war in der Financial Times schon vor der Wahl zu lesen. „Ob die Christdemokraten in einer Stadt, in der die Mehrheit traditionell links wählt, eine Regierung bilden können, ist fraglich“, kommentiert der Korrespondent nach dem Wahlergebnis. 

Die belgische Tageszeitung L’Echo bezeichnete die Wahlwiederholung als „wichtigen Test für die deutsche Hauptstadt, oft das Gespött des Landes, während die letzten Wahlen ein Fiasko waren. Ein Symbol für eine oft verschriene Stadt.“ Ähnliches ist bei Euronews zu lesen: „Die Berliner sind seit Langem frustriert über die notorisch dysfunktionale Verwaltung der Stadt, die sich seit Jahren über das Klischee von deutscher Effizienz hinwegsetzt und die Stadt zum Gespött des restlichen Landes macht.“

„‚Chaos‘, ‚Katastrophe‘, ‚Verzweiflung‘ sind Worte, die inzwischen von allen verwendet werden, um die Situation zu beschreiben, die in den letzten Jahren in Berlin geherrscht hat, sowohl in der Verwaltung, die wenig von Digitalisierung und Bürgerdienst versteht, als auch in der Bewältigung anhaltender Wohnungs- und Transportprobleme.“ So fasst die griechische staatliche Nachrichtenagentur APE die Umstände zusammen, die zu diesem „historischen“ Wahlergebnis geführt haben.

Von Bewohnern, die die deutsche Hauptstadt mitunter zur Verzweiflung treibe, schreibt Der Standard in Österreich: „Und der Senat schaffte wieder mal keine Reform.“ Giffey und ihre Koalitionspartner seien abgestraft worden. „In der Berliner SPD glauben ja viele immer noch, es gäbe so eine Art Erbpacht der Roten auf das Rote Rathaus, das aber nur wegen seiner Fassade so heißt.“

„Die Berliner sind wütend“

Die internationalen Beobachter schreiben über den Frust der Berliner gegenüber der bisherigen Regierenden und benennen die Gründe: „Die Hauptstadt ist wütend. Sie will die von den Grünen versprochene radikale Verkehrswende nicht, sie ist erschrocken über die monströsen Exzesse der Silvesternacht, die den ganzen letzten Monat über die Zeitungen beherrschten“, so La Repubblica. Die von vielen Berlinern gefürchtete Verkehrswende wird häufig als Erklärung der „Proteststimmen“ für die CD genannt.

Die Korrespondentin der griechischen Redaktion der Deutschen Welle hebt hingegen auch den positiven Aspekt dieser unspektakulären Wahl hervor: „Der Wahlprozess wurde in Berlin laut dem heute aufgezeichneten Bild harmonisch abgeschlossen, ohne eklatante Fehler, Unregelmäßigkeiten und Betrug wie bei den ereignisreichen Wahlen von 2021“, lautet ihr Fazit.

Was heißt das jetzt für Olaf Scholz?

Obwohl die meisten Medien auf die Anwesenheit ausländischer Wahlbeobachter verweisen, werden keine Unregelmäßigkeiten erwähnt, und alle Berichte konzentrieren sich auf das tatsächliche Ergebnis und darauf, was es für die Bundesregierung bedeuten werde.

Laut der französischen Wochenzeitung Courrier International geht es um eine „Wahlklatsche für die Partei von Olaf Scholz“. Die französische Le Monde nennt das Berliner Wahlergebnis „historisch“ und sieht „einen sehr symbolischen Misserfolg für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, der ihre starke Erosion von mehreren Monaten bestätigt“. 

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