Der Fall Usmanow: Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermittlungen nehmen zu
Gegen den Unternehmer Alischer Usmanow wird in Deutschland ermittelt. Doch die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen steht immer mehr in Zweifel.

Die rechtlichen Zweifel an den Ermittlungen gegen Alischer Usmanow, den usbekischen Unternehmer mit russischem und usbekischem Pass, nehmen zu. Die Rechtsvertretung Usmanows hat nun, laut Informationen der Berliner Zeitung, Beschwerde eingereicht gegen das Amtsgericht München, das im Fall des Unternehmers ermittelt, der wegen seiner angeblichen Putin-Nähe auf der EU-Sanktionsliste steht.
Deutsche Behörden hatten im September 2022 Wertgegenstände von Usmanow konfisziert und Durchsuchungen von Häusern durchgeführt, die Usmanow am Tegernsee bewohnt haben soll. Usmanow werden Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Verstöße gegen EU-Sanktionsbestimmungen vorgeworfen. Nach Recherchen der Berliner Zeitung verdichtet sich nun der Eindruck, dass die Behörden keine eindeutigen Beweise gegen den Unternehmen im Moment des Durchsuchungsbeschlusses vorliegen hatten. Dies würde rechtsstaatlichen Prinzipien zuwiderlaufen.
„Enteignung von Oligarchen ist rechtlich unhaltbar“
Ein Beschluss, der zu einer Hausdurchsuchung führt, muss auf Tatsachen, nicht auf Vermutungen oder einem bloßen Verdacht beruhen. Nun steht der Vorwurf im Raum, dass die deutschen Behörden rechtsstaatliche Prinzipien verletzt und die Unschuldsvermutung im Fall Usmanow außer Kraft gesetzt hätten. Moralische Gründe und die angebliche Putin-Nähe hätten für die Ermittlungen die Hauptrolle spielen können.
Diverse Medien hatten über den Fall Usmanow berichtet, einige davon haben ihre Anfangsberichte mittlerweile korrigiert. Die Deutsche Presse-Agentur hat etwa im Nachhinein ihre Berichterstattung zum Fall Usmanow angepasst und diverse Passagen in ihren Texten zum Fall verändert. Die Neue Zürcher Zeitung publizierte am 31. Januar 2023 einen Kommentar zu Enteignungen von russischem Vermögen mit dem Titel: „Enteignung von Oligarchen ist rechtlich unhaltbar“. Der Text stellt die Frage, ob man reiche Russen pauschal als Kriminelle ansehen und ihr Vermögen einziehen könne. „Nein“, heißt es im Kommentar von Katharina Fontana. „Man darf nicht, sofern einem etwas an rechtsstaatlichen Prinzipien liegt.“
Die Staatsanwaltschaft München II hat bereits zurückgerudert
Im weiteren Verlauf der Ermittlungen könnte sich der Verdacht erhärten, dass das Vorgehen gegen Usmanow politisch motiviert sei. Bereits jetzt treten erste Ungenauigkeiten in den Berichten der deutschen Ermittler zutage. Die deutschen Behörden haben nach den Durchsuchung der Villen in Süddeutschland mitgeteilt, dass Wertgegenstände aus dem Besitz von Usmanow wie etwa teure Fabergé-Eier bzw. wertvolle Imitate sichergestellt wurden, die Usmanow laut den EU-Sanktionsbestimmungen hätte bei den Behörden angeben müssen.
Dies wurde noch im September 2022 als Verstoß gegen die Anzeigepflicht beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingestuft. Zumindest bei den vermeintlichen Fabergé-Eiern konnte sich der Verdacht der Ermittler nicht bestätigen. Auch dies wirft die diversen Durchsuchungen und Ermittlungen, die den deutschen Steuerzahler reales Geld kosten, in ein schales Licht.
Die Staatsanwaltschaft München II hat bereits zurückgerudert und sich korrigiert. Der Bayerische Rundfunk hat über die neuen Erkenntnisse der Behörden am 31. Januar 2023 ausführlich berichtet: „Wie Oberstaatsanwältin Andrea Grape von der Staatsanwaltschaft München II dem BR bestätigte, schätzt ein Gutachten den Wert (der Fabergé-Eier, Anm. d. Red.) ‚deutlich geringer‘ ein, entgegen der ersten und vorläufigen gutachterlichen Einschätzung. Weitere Details nannte Grape nicht, sie verwies auf die laufenden Ermittlungen. Nach Informationen der Bild-Zeitung handelt es sich um industriell gefertigte, vergoldete Nachbildungen. Der Wert je Ei liege bei 1000 Euro.“
Usmanow bekam in Moskau recht
Die Ermittlungsbehörden werfen Usmanow vor, bis Februar 2022 einen Wohnsitz in Deutschland gehabt zu haben. Damit hätte er in Deutschland Steuern zahlen müssen. Der Unternehmer bestreitet den Vorwurf und gibt an, in Russland steuerpflichtig zu sein. Nach Recherchen der Berliner Zeitung existieren amerikanische Quellen, die Usmanows russische Steueridentifikationsnummer bestätigen.
Das heißt, dass Usmanow über einen Wohnsitz im Ausland verfügt und in Russland seine Steuern zahlt. Wegen des deutsch-russischen Steuerabkommens ist eine Doppelbesteuerung unzulässig. Die Belege legen nahe, dass der zentrale Vorwurf gegen Usmanow, sich in Deutschland der Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben, unzutreffend ist. Auch Unterlagen von Alexei Nawalny, dem russischen Oppositionellen, belegen, dass Usmanow in Russland besteuert wurde. Nawalny hatte den Unternehmer Usmanow beschuldigt, Steuerbetrug begangen zu haben. Usmanow widersprach den Vorwürfen vor einem russischen Gericht und bekam in Moskau recht.
Thomas Fischer hat für die Usbeken Expertisen vorbereitet
Die Auseinandersetzung zwischen Usmanow und den deutschen Behörden hat just im Januar 2023 eine neue Wendung bekommen. Offiziellen Angaben zufolge haben sich prominente Anwälte in den Fall eingeschaltet, um die usbekische Botschaft in Deutschland bei ihren Bemühungen mit Expertisen zu beraten, um die Interessen von usbekischen Staatsbürgern wie Usmanow zu vertreten. Laut Presseberichten wurde die Rechtsanwaltskanzlei Gauweiler & Sauter Rechtsanwälte beauftragt. Ein Pressesprecher schrieb, dass der ehemalige CSU-Politiker Peter Gauweiler und der frühere Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer involviert seien.
Die Zeitung Die Welt hat die Berichte bestätigt. Am 28. Januar 2023 schrieb der Wirtschaftsjournalist Philipp Vetter: „Um sich mit Argumenten zu wappnen, haben die Usbeken gleich mehrere prominente Juristen mit Expertisen zum Fall Usmanow beauftragt. So hat der frühere Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer einen ‚Vermerk‘ geschrieben, in dem er sich mit dem Durchsuchungsbeschluss für die Anwesen am Tegernsee auseinandersetzt. Der Schriftsatz liegt Welt am Sonntag vor. Das eindeutige Ergebnis: Aus mehreren Gründen sei der Durchsuchungsbeschluss ‚rechtsfehlerhaft‘, schreibt Fischer. So habe die Staatsanwaltschaft nicht belegt, dass es sich um Wohnungen oder Geschäftsräume von Usmanow handelt.“
Besonders pikant: Thomas Fischer ist Kolumnist beim Spiegel. Das Nachrichtenmagazin hatte noch im September 2022 eine Reportage veröffentlicht, die Usmanow in ein dubioses Licht rückte. Das Engagement von Thomas Fischer hat daher auch politisch Gewicht. Im März soll angeblich darüber entschieden werden, ob Usmanows EU-Sanktionierung verlängert wird. Die Anwälte von Usmanow gehen gegen die Sanktionierung vor und sagen, dass auch die Sanktionen bloß auf Vermutungen und allein auf Presseberichten beruhen.
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