NS-Prozess : Der junge SS-Mann auf dem Wachturm und die Frage der Schuld
Von August 1944 bis April 1945 tat Bruno D. als SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof Dienst. Damals war er 17 Jahre alt. Heute ist er 93 und steht vor der Jugendkammer des Hamburger Landgerichts. Das Urteil wird Signalwirkung haben.

Hamburg - Es seien nur ein paar Sätze, die er zu sagen habe, kündigt Bruno D. mit brüchiger Stimme am Montag im Hamburger Landgericht an. Es ist der letzte Verhandlungstag vor dem Urteil, und der ehemalige Wachmann im Konzentrationslager Stutthof hat das Recht auf ein letztes Wort. In der Woche zuvor hatte die Staatsanwaltschaft dem betagten Rentner in ihrem Plädoyer noch einmal vorgeworfen, vor einem Dreivierteljahrhundert Beihilfe zum Mord in mehr als 5000 Fällen geleistet zu haben, und eine dreijährige Haftstrafe dafür gefordert. Bruno D.s Verteidiger hingegen plädierte auf Freispruch, eine Beihilfehandlung sei seinem Mandanten nicht nachzuweisen.
Nun also das letzte Wort eines heute 93-jährigen Mannes aus Hamburg, der am Anfang seines Lebens, als 17-Jähriger, von der SS auf einen Wachturm am KZ-Zaun in Stutthof abkommandiert worden war. Wird er seine Schuld eingestehen, um Vergebung bitten? Die wenigen Überlebenden aus Stutthof, die als Nebenkläger am Prozess teilnehmen, hoffen darauf. „Er könnte heute sagen: Es war falsch, was ich damals gemacht habe“, hatte Rechtsanwalt Markus Horstmann, einer der Nebenklägervertreter, zuvor gesagt. „Es wäre ein großer Schritt.“
Lesen Sie doch weiter
Erhalten Sie unbegrenzt Zugang zu allen Online-Artikeln der Berliner Zeitung für nur 9,99 € im Monatsabo.
Sie haben bereits ein Abo? Melden Sie sich an.
Doch lieber Print? Oder das E-Paper? Hier geht’s zum Abo Shop.