Der Kanzler in Kiew: Die Reise kam viel zu spät. Aber sie war ein Erfolg

Olaf Scholz ist nun endlich in die Ukraine gereist. Es hat den Anschein, als hätte er von dort etwas Wichtiges mitgenommen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD )bei der internationalen Pressekonferenz in Kiew. Er und Frankreichs Präsident Macron, der italienische Ministerpräsident Draghi und der rumänische Staatschef Iohannis sprachen dort über weitere Unterstützung für das von Russland angegriffene Land.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD )bei der internationalen Pressekonferenz in Kiew. Er und Frankreichs Präsident Macron, der italienische Ministerpräsident Draghi und der rumänische Staatschef Iohannis sprachen dort über weitere Unterstützung für das von Russland angegriffene Land.AP/Natacha Pisarenko

Endlich. Bundeskanzler Olaf Scholz hat es geschafft. Er ist nach Kiew gereist. Und er hat sich mit seinem Auftritt dort erst mal ein bisschen Luft verschafft, was die Kritik an seiner Ukraine-Politik betrifft.

Sein Besuch kam zu spät, so viel war schon vorher klar. Aber er hat doch etwas gebracht. Für Olaf Scholz und für die Ukraine.

Scholz hatte ja im Vorfeld – als Seitenhieb auf den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz – gesagt, er reise keinesfalls nur für einen Fototermin nach Kiew. Als es dann die Bilder von der Begrüßung durch Selenskyj vor dem Regierungssitz gab, lag die Frage nahe: Hat Scholz in seiner dicken Aktentasche, die er auch auf dem roten Teppich trug, noch etwas dabei – vielleicht eine neue lange Waffenliste, zusammen mit konkreten Zusagen?

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Die schlechte Nachricht zuerst: Keine neuen Waffenlieferungen

Das war nicht der Fall: Geliefert werden sollen das Iris-T-Flugabwehrsystem und das Spezialradar Cobra. Das hatte Scholz schon im Bundestag gesagt, ein Datum ist aber offen. Bei den Raketenwerfern hatte es im Vorfeld bereits eine Einschränkung gegeben. Ursprünglich sollten vier Systeme vom Typ Mars geliefert werden. Jetzt kann die Bundeswehr aber doch nur drei erübrigen, wie Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Mittwoch in Brüssel erklärte. Ende Juli soll es damit aber auch so weit sein. Oder Anfang August. Dann aber bestimmt.

Doch Scholz hat sich in anderer Hinsicht bewegt: Die Ukraine kann den Weg in die Europäische Union nun beschreiten. Es wird für das Kriegsland vermutlich keine Abkürzung geben, aber immerhin gibt es eine klare Zukunftsperspektive: Die Regierungschefs der wichtigsten EU-Nationen wollen sich dafür einsetzen, dass die Ukraine - und auch der kleine Nachbar Moldau – den Kandidatenstatus für den EU-Beitritt bekommen.

Nächste Woche schon soll darüber abgestimmt werden. Wenn die anderen Mitglieder zustimmen, dann geht es also offiziell los mit den Beitrittsverhandlungen. Eine hoffnungsvolle Perspektive für die Zukunft ist eigentlich das Mindeste, was das vom Krieg gebeutelte Land erwarten darf. Aber gerade in Sachen EU ist man ja Schlimmeres gewohnt.

EU-Betritt für die Ukraine: Scholz hat eine Wende vorgenommen

Auch der Bundeskanzler hat hier eine Wende vorgenommen. Bisher hat er zu der Frage des Kandidatenstatus für die Ukraine beharrlich geschwiegen. Zu hören war aber, dass er der Sache skeptisch gegenübersteht. In der vergangenen Woche ist er auch noch mal in den Westbalkan gereist, um den dort schon Jahrzehnte wartenden Ländern Mut zu machen. Zur Ukraine mochte er sich dabei nicht äußern. Umso besser, dass er sich jetzt dazu durchringen konnte.

Man kann davon ausgehen, dass es kein spontaner Entschluss war. Dennoch hat es den Anschein, dass die Bilder der Ruinen von Irpin und die Schilderungen der Menschen vor Ort ihre Wirkung nicht verfehlt hatten. Auf den Fernsehbildern sieht man Macron, Scholz und Draghi mit betroffenen Minen durch die Trümmer laufen.

Es ist eben doch noch mal etwas anderes, das Grauen mit eigenen Augen zu sehen – selbst wenn das Schlimmste schon weggeräumt ist. Scholz wirkte auf der Pressekonferenz mit Selenskyj und seinen Amtskollegen für seine Verhältnisse geradezu empathisch. Im Bundeskanzleramt in Berlin ist man vom Krieg eben weit weg. Insofern war die Reise in die Ukraine vermutlich doch ein voller Erfolg – für das Kriegsland und für die eigenen Anschauungen des Bundeskanzlers.