Deutsch-französischer Gipfel: Emmanuel Macron besucht Angela Merkel: Die schwierige Mission der Bundeskanzlerin
Meseberg - Am Ende der Gesprächsrunde herrscht deutsch-französische Eintracht. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollen, dass sich im europäischen Asylsystem grundlegend etwas ändert. “Wir glauben an eine europäische Antwort auf die Herausforderungen, vor die uns die Migration stellt”, sagt Macron. Die Kanzlerin steht neben ihm und lächelt. Das kann jetzt auch heißen: Besser hätte ich es nicht sagen können.
Kanzlerin und Präsident geben ein Routine-Schauspiel ab, als sie am Dienstagnachmittag auf Schloss Meseberg in Brandenburg vor die Presse treten. Es ist aber tatsächlich ein Krisentreffen. Denn die CSU hat dafür gesorgt, dass sich Merkel und der französische Präsident mehr um die europäische Flüchtlingspolitik als um die Reform der Eurozone kümmern müssen. Der Streit zwischen den Unionsparteien in Berlin überschattet jetzt auch die deutsch-französische Agenda für Europa.
Und bei alldem drängt die Zeit. Bis Ende nächster Woche soll Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bilaterale Abkommen mit den einzelnen EU-Staaten schließen, sonst will Merkels eigener Innenminister Horst Seehofer Flüchtlinge an den deutschen Grenzen zurückweisen lassen. Wie das in so kurzer Zeit gelingen soll, ist völlig unklar.
Macht Merkel von ihrer Richtlinienkompetenz gebrauch?
Es sind Momente, wie es sie in der bald 13 Jahren währenden Regierungszeit Merkels erst selten gegeben hat. Die Kanzlerin und CDU-Chefin musste sich eine Fristsetzung gefallen lassen von der eigenen Schwesterpartei aus Bayern. Es könnte sogar sein, dass sie ihr Amt verliert. Denn wenn Seehofer ernst macht und die Polizei tatsächlich an den Grenzen jene Flüchtlinge abweisen lässt, die schon in einem anderen EU-Land als Asylbewerber registriert sind, dann würde Merkel von ihrer Richtlinienkompetenz als Kanzlerin Gebrauch machen. Dann könnte sie den Innenminister entlassen, die Koalition würde wahrscheinlich platzen, und ob die nächste Kanzlerkandidatin dann noch Angela Merkel hieße, ist eher unwahrscheinlich.
Und da sind auch noch die Franzosen. Sie drängen, weil sie längst weiter sein wollten bei der Reform der Eurozone und der EU. Emmanuel Macron, der schon vor einem dreiviertel Jahr zu umfassenden Reformen der EU aufgerufen hatte und dann lange auf die Regierungsbildung in Berlin warten musste, ist jetzt indirekt auch in die deutsche Innenpolitik verstrickt.
Macron springt Merkel im Asylstreit bei
Bei ihrem Treffen in Meseberg am Dienstag einigen sich Macron und Merkel schließlich auf ein siebenseitiges Papier, das sie beim EU-Gipfel in der kommenden Woche mit den Partnern diskutieren wollen und das die deutsch-französischen Vorschläge für einen Neustart in Europa zusammenfasst. Macron ist besonders das Kapitel zur Reform der Wirtschafts- und Währungsunion wichtig. Merkel hat sich bewegt und ist nun bereit, ein eigenes Budget für die Eurozone aufzusetzen. Es soll für Investitionen genutzt werden und die ökonomische Annäherung der Euro-Staaten beschleunigen. Über die Höhe machen die beiden Partner allerdings keinen Vorschlag. Das Budget soll 2021 bereitstehen - dann beginnt auch die neue Haushaltsperiode in der EU.
Im Asylstreit springt Macron der Kanzlerin demonstrativ bei. Deutschland und Frankreich versichern sich gegenseitig, dass bereits im Nachbarland registrierte Flüchtlinge so schnell wie möglich in das Land zurückgeschickt werden können. In der gemeinsamen Erklärung gibt es Sätze, die sich lesen, als seien sie direkt an Horst Seehofer gerichtet: “Rein nationale und unkoordinierte Schritte führen zum Scheitern und zur Spaltung.”
Asylstreit schreckt Brüssel auf
Sich mit Frankreich zu verständigen, ist für die Kanzlerin einfach. Mit anderen Staaten wird es dagegen schwierig. Das zeigte bereits die Begegnung der Kanzlerin am Montagabend mit dem neuen italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Merkel sagte, Deutschland werde Italien bei seinen Problemen mit Flüchtlingen unterstützen. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Migranten schon im nordafrikanischen Libyen, also bevor sie das Mittelmeer überqueren, Asylanträge stellen sollen.
Neben Griechenland gehört Italien zu jenen Staaten, in denen die meisten Flüchtlinge ankommen, aber oft weiter nach Norden reisen. Möglicherweise wird es schon in den nächsten Tagen zu einem Treffen der Kanzlerin mit der EU-Spitze und Regierungschefs aus diesen Staaten kommen.
Der Asylstreit in Deutschland hat auch die Brüsseler EU-Kommission aufgeschreckt. Kommissionspräsident Jean-Claude Junker wollte am Dienstagabend ebenfalls nach Meseberg kommen. Macron und Merkel unterstützen seinen Vorschlag, die europäische Grenzschutzbehörde Frontex zu einer regelrechten Grenzpolizei mit 10 000 Mann auszubauen. Außerdem soll eine eine europäische Flüchtlingsbehörde gegründet werden, um den Datenaustausch und die Registrierung zu verbessern.
Während Merkel und Macron am Dienstag auf Schloss Meseberg beraten, kommt aus Bayern abermals Störfeuer. Der dortige Ministerpräsident Markus Söder von der CSU lässt sich mit dem Satz vernehmen: “Wir glauben nicht daran, dass innerhalb von zwei Wochen europäische Lösungen zustande kommen - das hat drei Jahre lang nicht funktioniert.” Das klingt nicht nach Entspannung, ganz im Gegenteil.