Die Nachbestellung Deutschlands von 30 Millionen Impfdosen erinnert an Gruppenarbeiten in der Schule. Um Einigkeit zu zeigen, präsentiert man etwas, mit dem man selbst nicht zufrieden ist. Die Gemeinschaft steht über dem Ergebnis. Hinterher setzt man sich dann doch noch einmal ran, egal was die anderen Gruppenmitglieder denken. Hauptsache dieses Mal stimmt das Ergebnis. Nur geht es beim Impfstoff nicht um gute Noten, sondern um Leben und Tod.
Obwohl Biontech der EU 500 Millionen Impfdosen angeboten hat, hat die EU nur 60 Prozent davon bestellt. Bei 446 Millionen EU-Einwohnern und einer zweifach notwendigen Impfung war da von Anfang an klar, dass die bestellte Menge keinesfalls ausreichen wird.
Die Kritik aus Polizei, Einzelhandel oder Schulen, nicht zu den ersten Empfängern der Impfung zu gehören, zeigt, dass die Impfbereitschaft vielerorts groß ist. Doch die allerhöchste Priorität haben weder Polizisten noch Altersheimbewohner. Die Sicherheit allein steht an allererster Stelle. So erklärt sich auch, dass es in der EU keine Notfallzulassung gibt, sondern ein ordentliches Verfahren.
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Allerdings zeigen Umfragen auch, dass die Impfbereitschaft sinkt, während die Todeszahlen steigen. Die Erinnerung an 2011, als Millionen Impfdosen gegen Schweinegrippe vernichtet werden mussten, ist in Deutschland noch wach.
Das Trump-geführte Amerika ist mit seiner Strategie wirksamer – bis März sollen in den USA 100 Millionen Amerikaner, und damit 30,5 Prozent der Bevölkerung, durchgeimpft sein. In Deutschland sind es – Stand jetzt – bis dahin rund 6,5 Millionen (7,8 Prozent). Die Zaghaftigkeit der EU hat global gesehen positive Effekte: mehr für die anderen. Die Produktionsstätten der Pharmafirmen werden nicht stillstehen. Die ganze Welt wartet auf einen Impfstoff. Doch in Deutschland ist der Druck aus der Bevölkerung zu groß geworden. Die Nachbestellung korrigiert das gemeinschaftliche Ergebnis.