Deutschland/Türkei: Erdogans Minister will „normale Beziehungen“, Özdemir zweifelt

Berlin - Es sind Töne, die nach Entspannung klingen, in die sich aber klare Drohungen mischen. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat Signale ausgesendet, dass er das zerrüttete Verhältnis seines Landes zu Deutschland verbessern will. Der Vertraute des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sagte in einem dpa-Interview, im Vergleich zu 2017 erwarte er „ein viel besseres Jahr 2018“. Der Minister aus Ankara fügte jedoch hinzu: „Aber wenn Deutschland die Türkei bedroht, wird die Türkei zurückschlagen.“ Es ist diese Mixtur aus Annäherung und Drohung, die deutsche Politiker wie den Grünen-Chef Cem Özdemir zweifeln lassen, ob das Tauwetter Bestand haben wird.

Die Entspannungssignale seien der wirtschaftlichen Not der Türkei geschuldet, sagte Özdemir dieser Zeitung: „Das Gerede über die angebliche unabhängige türkische Justiz kann sich der türkische Außenminister sparen und gleich zur Sache kommen: Dem türkischen Staat geht es wirtschaftlich schlecht, und das Land braucht dringend deutsche Touristen und deutsche Investitionen, um das in die politische und wirtschaftliche Isolation manövrierte Land auf die nächsten Präsidentschaftswahlen vorzubereiten.“

2017 war ein Krisenjahr der deutsch-türkischen Beziehungen

2017 war ein Krisenjahr in den deutsch-türkischen Beziehungen. Seit dem Putschversuch vom Sommer 2016 hat Präsident Erdogan Zehntausende von Angestellten aus dem Staatsdienst entlassen und Tausende inhaftieren lassen. Auch gegen Journalisten griff er hart durch. Welt-Korrespondent Deniz Yücel sitzt seit Februar 2017 wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft. Die Bundesregierung reagierte mit einer Verschärfung der Reisehinweise für die Türkei und blockiert eine Vertiefung der Zollunion des Landes mit der EU. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach zwischenzeitlich von Geiselnahme durch den türkischen Staat, und die türkische Seite bemühte Nazi-Vergleiche. Der Streit hatte auch spürbare Auswirkungen auf das türkische Tourismusgeschäft. Die Deutschen, bis 2017 noch die größte Gruppe unter den Türkei-Urlaubern, blieben in Scharen weg.

Der dadurch entstandene Druck wirkt. Ab Herbst 2017 gab es erste Hinweise auf Entspannung. Erst wurde der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner aus türkischer Haft entlassen, kurz vor Weihnachten kamen die Journalistin Mesale Tolu und der Pädagoge David Britsch aus Mecklenburg-Vorpommern frei.

Nun soll es noch besser werden, zumindest sagt das der türkische Außenminister: „Ich denke, dass beide Seiten bereit dazu sind, die Beziehungen zu normalisieren.“ Politische Differenzen sollten weder Deutsche und Türkei davon abhalten, in das jeweils andere Land zu reisen, sagte Cavusoglu und warb um Touristen: „Ich möchte unsere deutschen Freunde dazu aufrufen, zurückzukehren und die Urlaube zu genießen, die sie in den vergangenen Jahren genossen haben.“

Wie schon in der Vergangenheit erneuerte Cavusoglu seine indirekte Kritik an der türkischen Justiz, die im Fall Yücel noch keine Anklage erhoben hat. „Auch ich bin nicht sehr glücklich darüber“, so der türkische Außenminister. Auch deutete Cavusoglu an, dass sein Land eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg akzeptieren könnte, vor dem Yücel klagt. Das sei zwar Sache der Justiz in seinem Land, „aber wir haben die Entscheidungen des Gerichts in Straßburg immer umgesetzt.“ Er erwarte daher „natürlich“ auch eine Umsetzung im Fall Yücel, so der Außenminister.

„Wer in der Türkei inhaftiert wird, wird in Deutschland zum Helden“

Er kritisierte aber die Bedeutung, die dem Fall in Deutschland beigemessen werde. „Wer auch immer in der Türkei inhaftiert wird oder dort Probleme hat, wird in Deutschland zum Helden.“ Deutschland sei aber nicht der größte Verteidiger der Menschenrechte in der Welt. Die Türkei dürfte wegen des seit dem Putschversuch geltenden Ausnahmezustands nicht als Diktatur bezeichnet werden: „Die Türkei hält demokratische und faire Wahlen ab, besser als viele andere europäische Länder.“

In dem Interview gibt sich Cavusoglu verbindlich. Grünen-Chef Özdemir mag darin allerdings noch keinen grundsätzlichen Schwenk erkennen. Gleichwohl sollte die Bundesregierung „diese Situation nutzen, um nicht nur die sofortige Freilassung von Deniz Yücel ohne jede Gegenleistung zu fordern, sondern auch auf das Schicksal der zu Unrecht inhaftierten türkischen und kurdischen politischen Gefangenen hinzuweisen. Solange Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft in Haft seien, „deren einziges Verbrechen es ist, eine andere Meinung wie der Herrscher in Ankara zu haben, kann es keine Normalisierung im Verhältnis zur EU und zu Deutschland geben“. Die Bundesregierung, so Özdemir, müsse zudem „darauf bestehen, dass Ankara jeden weiteren Versuch unterlässt, hier in Deutschland Parallelstrukturen zu fördern, um Oppositionelle und Andersdenkende einzuschüchtern.“