Berlin-Kann sich noch irgendjemand daran erinnern, warum Annegret Kramp-Karrenbauer eigentlich als CDU-Vorsitzende zurückgetreten ist? Fast ein Jahr ist es jetzt her, dass sie ihren Rückzug angekündigt hat. Nun soll endlich ihr Nachfolger bestimmt werden. Doch damit wird nichts geklärt sein.
Am 10. Februar 2020 war das Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses voll mit Journalisten, als AKK nach einer Präsidiumssitzung nach dem erbitterten Streit mit der Thüringer CDU ihre Entscheidung verkündete. Das Coronavirus war bereits im Land, aber die paar Fälle in Bayern, von denen man damals wusste, hat niemand so richtig ernst genommen. Maskenpflicht und AHA-Regeln waren auch noch völlig unbekannt als erst Norbert Röttgen, danach Armin Laschet und schließlich Friedrich Merz die Kandidatur für den Vorsitz bekanntgaben.
Drei silbergraue Krawatten
Dann kam der März, Deutschland ging in den Lockdown und die CDU wurde gewissermaßen auf diesem Stand eingefroren. Der für den April geplante Parteitag musste erst verschoben und für 2020 schließlich komplett abgesagt werden. Am kommenden Wochenende ist es endlich soweit: Nun soll ein digitaler Parteitag die Entscheidung darüber bringen, wer die CDU künftig führt. Nicht wenigen Parteimitgliedern wäre es lieber gewesen, wenn er noch mal verschoben worden wäre. Am besten in den April und dann mit Publikum und Delegierten vor Ort. Aber dann hätte Friedrich Merz wohl wieder mal ein Fass aufgemacht und gegen das Parteiestablishment gewettert.
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Es ist völlig unklar, wie diese Wahl ausgehen wird, da alle Kandidaten fast gleichauf liegen. Es hat den Anschein, als seien sich die drei Herren aus Nordrhein-Westfalen in den vergangenen elf Monaten alle ein bisschen ähnlicher geworden. Als sie sich am vergangenen Freitag zur zweiten Kandidaten-Diskussionsrunde trafen, trugen sie sogar fast die gleichen silbergrauen Krawatten. Und auch wenn sich Laschet und Röttgen ein kleines bisschen kabbelten, merkte man allen dreien an, dass sie auf den letzten Metern bloß nichts mehr falsch machen wollten.
Auch ohne diese Vorsicht ist jetzt schon sicher, dass von dem digitalen Parteitag kein Aufbruchssignal an die Partei ausgesendet werden wird. Stimmung im Saal, Beifallsstürme gar wird es ja ohnehin nicht geben. Denn es gibt gar keinen Saal, sondern nur ein Studio mit Kameras in die die die Kandidaten ihre Bewerbungsreden sprechen. Ob die Delegierten an ihren Computern zu Hause gerade eingenickt sind oder sich in der Küche ein Spiegelei in die Pfanne schlagen, bekommen die Redner gar nicht mit. Das könnte auch seine Vorteile haben.
Die Hängepartie geht weiter
Hinzu kommt, dass die Wahl und damit die Kandidaten sehr viel unwichtiger sind als dies noch vor elf Monaten ausgesehen hat. Für zwei von ihnen mag am kommenden Samstag eine Hängepartie zu Ende gehen. Für die CDU und ihren neuen Vorsitzenden aber beginnt dann eine neue. Die im Superwahljahr viel entscheidendere Frage nach dem Kanzlerkandidaten soll nämlich erst nach den ersten Landtagswahlen und damit frühestens im März oder April entschieden werden. Der neue Vorsitzende hat also erst mal gar nichts zu tun außer seine Füße stillzuhalten. Ob er dann als Kandidat zum Zuge kommt, ist alles andere als sicher.
Durch die Pandemie haben sich die politischen Prioritäten komplett verschoben. Seit Monaten sind ausschließlich die Krisenmanager gefragt. Für die CDU sind daher die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn die eigentlichen Leitfiguren. Dass Merkel nicht mehr antritt, ist bekannt, doch noch bestimmt sie die politische Agenda. Jens Spahn, dem die Krise immense Aufmerksamkeit und Anerkennung verschafft hat, steht als zweiter Mann im Team Laschet. Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass er längst eigene Pläne verfolgt.
Armin Laschet dagegen, der vor knapp einem Jahr noch als Favorit für den Parteivorsitz und auch für die anstehende Nominierung als Spitzenkandidat galt, hat Monat für Monat an Boden verloren. Und dann ist da ja noch Markus Söder, der Vorsitzende der Schwesterpartei CSU. Die will natürlich auch bei der Auswahl des Bundeskanzlerkandidaten mitreden. Hätte sich vor einem Jahr irgendjemand vorstellen können, dass der bayerische Ministerpräsident dabei als aussichtsreicher Kandidat gelten würde?
Die jetzt noch amtierende Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer indes geht in die Parteigeschichte als die Vorsitzende mit der kürzesten Amtszeit ein. Aber vielleicht wird ihr Nachfolger auch nur ein Übergangsvorsitzender sein.