Die dunkle Seite der Queen: Hitlergrüße, Psychoterror, Kolonialverbrechen

Für viele war Elizabeth II. das Inbild einer pflichtbewussten Monarchin. Doch zu viel Rührseligkeit ist fehl am Platz.

Nicht alles ist so, wie es scheint im Hause Windsor … Die Queen bei einer Waffenschau im Jahr 1993.
Nicht alles ist so, wie es scheint im Hause Windsor … Die Queen bei einer Waffenschau im Jahr 1993.PA Wire/Tim Ockenden

Dieser Artikel wurde anlässlich des 70. Thronjubiläums von Königin Elizabeth II. verfasst und ist bereits im Juni dieses Jahres erschienen.

Die britische Königin Elizabeth II. ist Europas dienstälteste Monarchin. Gerade feiern die Briten das 70. Thronjubiläum. Doch bei allem Tamtam muss man nicht aussparen, dass die Queen im Laufe ihrer Regentschaft nicht immer geglänzt hat. Dass sie nicht in jedem Skandal eine gute Figur abgab, dass sie nicht überall auf der Welt gefeiert wird – auch das ist Teil ihrer Geschichte.


Die Nazi-Verbindungen der Windsors und Elizabeths Hitlergruß

Die Familie der Queen pflegte in den 1930er-Jahren enge Verbindungen zu Oswald Mosley, dem britischen Hitler-Pendant. Seine Bewegung, die sogenannten Braunhemden, war eine erstarkende Kraft auf den britischen Inseln. Besonders der Onkel der Queen, Edward VIII., war ein Fan von Mosley und traf sich regelmäßig mit ihm. Im Juli 2015 veröffentlichte die Sun-Zeitung einen Artikel mit Bildern aus einem 17-sekündigen Privatfilm, der vermutlich im Jahre 1933 oder 1934 aufgenommen wurde und Elisabeth im Alter von sechs oder sieben Jahren beim Zeigen des Hitlergrußes zeigt. Auch ihre Mutter und ihre Geschwister recken dort den rechten Arm zum Himmel.

Edward wurde 1936 König, dankte aber nach 326 Tagen ab, um die geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson heiraten zu können. Im Oktober 1937 besuchten Edward und seine Frau – inzwischen der Herzog und die Herzogin von Windsor – Nazi-Deutschland mit der Idee, zu Galionsfiguren einer internationalen Friedensbewegung unter Hitlers Bedingungen zu werden.

Elizabeths Onkel Edward, Herzog von Windsor und Ehefrau Wallis Simpson werden von Adolf Hitler am 22.10.1937 auf dessen Berghof am Obersalzberg empfangen.
Elizabeths Onkel Edward, Herzog von Windsor und Ehefrau Wallis Simpson werden von Adolf Hitler am 22.10.1937 auf dessen Berghof am Obersalzberg empfangen.epa

Während des umstrittenen Besuchs trafen sie Hitler und speisten mit seinem Stellvertreter Rudolf Hess. Es gibt auch Belege, dass Edward ein Konzentrationslager in dessen Frühphase besuchte, obwohl man nicht davon ausgeht, dass er auf den Massenmord aufmerksam wurde, wie die BBC berichtet.

Zu den Aufnahmen der späteren Königin und Familienangehörigen sagte der Palast 2015: Es sei „enttäuschend, dass ein Film, der vor acht Jahrzehnten gedreht wurde, akquiriert werden konnte und sein Inhalt ausgenutzt wurde“.


Lady Diana: Horrorehe und das Schweigen nach dem Tod

Das wohl hässlichste Kapitel in der 70-jährigen Regentschaft von Elizabeth II. ist das Zerwürfnis mit Prinzessin Diana. Während die Queen immer darauf achtete, private Probleme der Royals vor der Öffentlichkeit geheim zu halten, haben die Verwerfungen im Verhältnis zur „Prinzessin der Herzen“ eine besondere Qualität, die auch die Queen in keinem guten Licht erscheinen lässt.

Anfänglich goutierte, ja förderte, Elizabeth die Verbindung zwischen ihrem Sohn Charles und Diana Spencer. Die Spencers sind nämlich nicht nur fabelhaft vermögend, sondern auch eine ältere Familie als die Windsors. Die Familie Windsor gibt es unter diesem Namen erst seit 1917. Sie benannte sich nach dem gleichnamigen Schloss. Eigentlich handelt es sich um die Familie Sachsen-Coburg-Gotha, die aus dem Hause Wettin hervorgehen. Das war aber zu Zeiten des Ersten Weltkriegs keine besonders begehrte Verbindung. Die Spencer-Familie hingegen existiert seit 1469 auf den britischen Inseln. Sie gilt als eine der Säulen der britischen Nobilität.

Der Kuss nach der Hochzeit: Anfänglich goutierte die Queen die Verbindung von Charles und Diana.
Der Kuss nach der Hochzeit: Anfänglich goutierte die Queen die Verbindung von Charles und Diana.AP

Doch zurück zum Verhältnis der Queen und Ms. Spencer. Die Königin sah in Diana nämlich nicht nur eine adäquate Gattin für ihren Sohn, sondern auch ein sehr nützliches Asset für die königliche Familie insgesamt. Mit dieser jungen, charmanten und beliebten Prinzessin ließen sich für die Monarchie Menschen begeistern. Das sagt zumindest Arianne Chernock, Professorin für Geschichte an der Universität Boston. Laut Chernock wurde die Stimmung im Verhältnis zur Queen mit dem Einzug Dianas in die royalen Gemächer zur Vorbereitung der Hochzeit angespannter. „Diana beschrieb die königliche Familie als kalt, herzlos und gefühllos, unsympathisch“, so die Historikerin. Diana habe die Führung, Anteilnahme und Unterstützung der Queen vermisst.

Doch die junge Prinzessin zog sich nicht zurück, sondern stürzte sich nach der Hochzeit in öffentliche Auftritte, was die Queen auch unterstützte. Sie hatte die Volksnähe Dianas als Gewinn für die Königsfamilie richtig erkannt. Nur hatte sie Dianas wahre Strahlkraft unterschätzt. „Diana war eine Bereicherung, bis zu dem Punkt, an dem sie die Show stahl“, sagt Chernock. Die Queen war plötzlich zweite Geige hinter Diana. Eine untragbare Situation für sie.

Als die Ehe mit Charles zu zerbrechen drohte, war die Queen denn auch keine Hilfe für die Prinzessin. In Tonbandaufnahmen aus dem Jahr 1993, die 2004 veröffentlicht wurden, sagte die Prinzessin, dass sie nicht die Unterstützung bekam, die sie brauchte. Als sie „schluchzend“ die Königin um Hilfe bei der Ehe bat, sei folgendes passiert. „Ich ging also zu der Dame ganz oben und sagte: ,Ich weiß nicht, was ich tun soll‘“, erzählt Diana. „Sie sagte: ‚Ich weiß nicht, was du tun sollst.‘ Und das war’s. Das war ‚Hilfe‘“, beschwerte sie sich.

Schließlich wandte sich Diana an die Presse und erzählte von ihren Gefühlen. Die Queen, die ungern öffentlich Gefühlsregungen zeigt, reagierte darauf nicht. Wirkte dadurch beim Volk noch kälter. Die Beliebtheit der Monarchie nahm insgesamt ab. Lange soll sie sich trotz der großen Probleme in der Ehe gegen eine Scheidung von Charles und Diana gestemmt haben. Doch der vielleicht dunkelste Moment in Elizabeths Regentschaft kam mit Dianas Tod bei einem Autounfall in Paris auf der Flucht vor Paparazzi.

Anstatt sofort von Schloss Balmoral nach London zu eilen, um ihr Volk zu trösten, blieb Elizabeth in Schottland. Anscheinend, um sich um ihre trauernden Enkel William und Harry zu kümmern, die gerade ihre Mutter verloren hatten. Dennoch verärgerte das viele Untertanen und schürte Verschwörungstheorien über Dianas Tod. Wohl nur auf Drängen von Premier Tony Blair hielt sie eine Woche nach Dianas Tod eine seltene Fernsehansprache. Am Ende war das Bild der Royals Elizabeth wichtiger als die Verfassung ihrer Schwiegertochter.


Lieblingssohn Andrew und die Sexskandale

Er galt immer als der Lieblingssohn der englischen Königin, ob das immer noch so ist, kann nur vermutet werden. Sicher aber ist, dass Prinz Andrew im Zuge des Missbrauchsskandals um den amerikanischen Investmentbanker Jeffrey Epstein und seine Geschäftspartnerin Ghislaine Maxwell ebenfalls in den Verdacht geriet, eine Frau sexuell missbraucht zu haben.

In Ungnade gefallen: Prinz Andrew im vergangenen Monat.
In Ungnade gefallen: Prinz Andrew im vergangenen Monat.Pool PA

Mitte Februar 2022 konnte Andrew mit einem wahrscheinlich millionenschweren Vergleich eine Klage gegen sich in den USA abwenden: Die Klägerin Virginia Guiffre hatte Andrew beschuldigt, sie als 17-Jährige mehrfach sexuell missbraucht zu haben. Andrew wies die Anschuldigungen stets zurück, musste aber umgehend nach Bekanntwerden alle militärischen Dienstgrade sowie die offiziellen Aufgaben für die royale Familie aufgeben.

Kurz danach geriet der 62-Jährige erneut in die Schlagzeilen im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Veruntreuung von rund 45 Millionen Euro durch einen türkischen Geschäftsmann. Nun langsam erst kehrt Andrew zurück in die Öffentlichkeit, wohl mit dem Segen seiner Mutter. Den Dankgottesdienst zu ihrem 70. Thronjubiläum indes sagte Prinz Andrew ab, er sei an Corona erkrankt.


Das Erbe des Kolonialismus

Vor einem Jahr haben Studenten der Universität Oxford dafür gestimmt, dass ein Porträt der Königin aus ihrem Gemeinschaftsraum entfernt wird. Sie betrachteten das Bild als Symbol der „jüngsten Kolonialgeschichte“. Der Bildungsminister war empört, doch die Aktion war aus einem demokratischen Abstimmungsprozess hervorgegangen und damit Teil der studentischen Meinungsbildung.

Hier wurde ein Queen-Porträt abgenommen: das Magdalen College in Oxford.
Hier wurde ein Queen-Porträt abgenommen: das Magdalen College in Oxford.Imago

Die Hinterlassenschaften des britischen Kolonialismus reichen bis in die Gegenwart. Die Königsfamilie muss sich dieser Verantwortung stellen. Doch stattdessen beweisen die Royals immer wieder, dass ihnen im Umgang mit der eigenen Geschichte das Fingerspitzengefühl fehlt – zuletzt war das bei der Reise von Prinz William und Herzogin Kate durch die früheren britischen Kolonien deutlich geworden. Als Auftraggeberin der Karibikreise kann sich auch die Queen dieser Mammutaufgabe nicht entziehen – und muss auch an deren Bewältigung gemessen werden.

In Großbritannien fordern junge Leute immer wieder eine Auseinandersetzung mit der britischen Kolonial- und Sklavereigeschichte – zuletzt waren die Proteste inspiriert von der US-Bürgerrechtsbewegung Black Lives Matter. Die Geschichte schreibt sich ohnehin fort: Während Elizabeths Regentschaft erlangten zahlreiche britische Kolonien ihre Unabhängigkeit. Damit ist die Sache aber längst nicht erledigt. Jamaika, wo die Queen noch Staatsoberhaupt ist, deutete zuletzt nicht nur eine Lossagung von der Krone an, das Land fordert auch eine Milliardenentschädigung für den Sklavenhandel. „Für eine Wiedergutmachung wird es höchste Zeit“, befand Jamaikas Kulturministerin.


Der humorlose und kalte Umgang mit „Skandalnudeln“ bei Hofe

Elizabeths einzige Schwester, Prinzessin Margaret, war so etwas wie das Enfant terrible des Königshauses. Im Schatten der älteren Schwester wollte Margaret das Einzige tun, was aus ihrer Sicht richtig erschien: ein ausgelassenes Leben führen. Margaret war lebenshungrig, sie rauchte, trank Alkohol, hatte Affären, war gesellig und künstlerisch interessiert, sang und spielte Klavier. Sie traf Mick Jagger, Peter Sellers, David Niven.

Im Schatten der Schwester: Prinzessin Margaret (l.) und Prinzessin Elizabeth mit ihrem Vater König Georg VI.
Im Schatten der Schwester: Prinzessin Margaret (l.) und Prinzessin Elizabeth mit ihrem Vater König Georg VI.BBC Studios/dpa

Doch den Mann, den sie liebte, den ehemaligen Oberst und Hofstallmeister Peter Townsend, den durfte sie nicht haben. Ihre Schwester, die Kirche und die Regierung verwehrten ihr die Eheschließung mit einem geschiedenen Mann. 1955 verkündete eine todtraurige Margaret offiziell das Ende der Beziehung. Man darf wohl annehmen, dass das Leben der 2002 verstorbenen Prinzessin kein besonders glückliches war. Doch sie bleibt eine der schillerndsten Persönlichkeiten des Hauses Windsor – und Millionen von Briten erinnern sich gern an sie, gerade weil sie im Gegensatz zum Rest der Familie ihre Gefühle öffentlich auslebte.

Mit öffentlicher Inszenierung kennt sich auch eine andere Skandalnudel bei Hofe aus: Prinz Andrews Ex-Frau Sarah „Fergie“ Ferguson. Häufig wurde die Herzogin an der Seite anderer Männer gesichtet, legendär waren die Fotos in der Boulevardpresse, auf denen der amerikanische Finanzmanager John Bryan ihr die Füße küsste. Die Queen war not amused: Fergie verlor die Anrede „Her Royal Highness“ und wurde aus der Königsfamilie verstoßen. Wie humorlos.

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