Die Eventbranche ist entsetzt von den Corona-Plänen der Bundesregierung
Dem sechstgrößten Wirtschaftszweig Deutschlands drohen Umsatzeinbußen von 65 Prozent. Die Verunsicherung ist groß. Ein Berliner Unternehmer berichtet.

Es gibt eine Grafik, die Bundesregierung hat sie veröffentlicht, um das überarbeitete Infektionsschutzgesetz gegen die Corona-Pandemie im Herbst und Winter plastisch darzustellen. „Winterreifen“ steht über einer Spalte und rechts daneben: „Schneeketten“. Unter „Schneeketten“ fallen alle Vorkehrungen, die bei einer hohen Belastung des Gesundheitssystems zu treffen sind. Zum Beispiel bei Großveranstaltungen wie Messen oder Konzerten. Weniger Zuschauer dürfen dann in die Hallen. Die Grafik macht gerade die Runde. Sie ist offenbar plastisch genug, sie verfehlt ihre Wirkung nicht. Die Eventbranche ist entsetzt.
Sie ist der sechstgrößte Wirtschaftszweig hierzulande. 1,5 Millionen Menschen lebten vor Corona unmittelbar davon, der Umsatz betrug 130 Milliarden Euro jährlich. Gemessen daran fristete die Sparte während der Pandemie lange Zeit ein Nischendasein. Inzwischen ist sie dabei, sich zu erholen, doch die neuen Corona-Bestimmungen könnten sie zurückwerfen.
So sieht es Marcel Fery, Mittelständler aus Neukölln, rund 100 Mitarbeiter, 30 Azubis, TSE heißt sein Unternehmen. „Schon jetzt, kurz nach Bekanntwerden der Bestimmungen, droht unser Umsatz um 65 Prozent einzubrechen“, sagt Fery. Denn das überarbeitete Gesetz gibt den Bundesländern großen Handlungsspielraum. Die Berliner Senatsverwaltung etwa könne jederzeit nach eigenem Ermessen weniger Menschen bei Veranstaltungen zulassen, sagt der Firmenchef. „Darauf lassen sich unsere Kunden nicht mehr ein.“ Der Vorlauf für Großveranstaltungen betrage drei bis vier Monate, teilweise sogar ein Jahr. Fery: „Es hagelt Stornierungen.“
Corona-Krise: Eventbranche leidet unter Personalmangel
Mit der Zuschauerkapazität sinken die Einnahmen, die Ausgaben bleiben dagegen unverändert. Zum Beispiel für Personal. Das ist nach zwei Jahren Pandemie ohnehin nur schwer zu bekommen. Viele Beschäftigte sind abgewandert, in andere Berufe vielfach, ins Handwerk, in die IT-Branche. Mangelndes Angebot und wachsende Nachfrage lassen die Löhne steigen. Die aktuelle Ungewissheit trägt wahrscheinlich nicht dazu bei, dass Menschen in die Eventbranche zurückkehren. Manche beobachten einen verstärkten Trend zur Abwanderung.
Der Mittelständler Fery hat die Corona-Krise bisher gut überstanden, nicht zuletzt wegen staatlicher Hilfen. Doch inzwischen ist das Kurzarbeitergeld wieder von 80 auf 60 Prozent zurückgefallen. „Angesichts der fehlenden Planungssicherheit ist es schwer, Mitarbeiter zu halten und neue zu gewinnen“, sagt er. Eine Forderung an die Politik: „Für die Branche muss im Bedarfsfall weiter das höhere Kurzarbeitergeld möglich sein und es muss wieder staatliche Überbrückungshilfen geben.“
Die internationale Konkurrenz ist groß: Frankreich, Spanien, die Niederlande – viele Länder haben ihre Corona-Beschränkungen inzwischen komplett aufgehoben. Das wissen die Veranstalter von Großereignissen auch, warum sollen sie eine Messe in Berlin veranstalten, wenn sie in Barcelona oder Lyon genau wissen, woran sie sind? Messen machen im deutschen Eventgeschäft 88 Prozent der Umsätze aus.
Es ist die Unsicherheit, die die Branche eine erneute Krise fürchten lasse, sagt der Unternehmer. „Wir brauchen bundesweit einheitliche und verlässliche Regelungen, die sich an den europäischen Nachbarn orientieren.“ Ferys Vorschlag zur Güte: „1G – wer einen negativen Corona-Test vorweist, kann dabei sein, ohne Kapazitätsbeschränkungen.“ Ganz einfach und vor allem: ganz ohne Schneeketten.