Gefeuerte RBB-Chefin Schlesinger will mehr Rente als Bundeskanzler Scholz

Politisches Spitzenpersonal muss fair entlohnt werden. Doch dass ÖRR-Intendanten wie Tom Buhrow mehr verdienen als der Bundeskanzler, ist falsch. Ein Kommentar.

Patricia Schlesinger, ehemalige RBB-Intendantin, während eines Interviews.
Patricia Schlesinger, ehemalige RBB-Intendantin, während eines Interviews.Britta Pedersen/dpa

Am Donnerstag berichtete die Berliner Zeitung über die gefährdete Pension von Franziska Giffey. Wir recherchierten, dass ein Scheitern der Regierenden Bürgermeisterin im jetzigen Machtkampf um das Rathaus sie unter Umständen deutlich mehr als zwei Millionen Euro Pension kosten könnte. Das Problem: Giffey war jeweils zu kurz Bundesministerin und Regierende Bürgermeisterin, um einfach Anspruch auf ein üppiges Ruhegehalt zu haben. Politiker in ihrer Position können immerhin bis zu 12.341 Euro Ruhegehalt pro Monat bis an ihr Lebensende kassieren.

Auf unsere Recherche, die sich auch ganz generell mit dem Thema Altersversorgung von Staatsbediensteten beschäftigte, erreichte uns ein Anruf aus der Senatskanzlei mit der Bitte um Korrektur. Politiker reagieren sensibel auf Artikel über ihre Finanzen, vor allem während politischer Verhandlungen, wie jetzt in Berlin.

Zum einen liegt das daran, dass Politiker deutlich mehr „Rente“ bekommen als die meisten normal versicherten Bürger. In Berlin liegt die Durchschnittsrente bei 1371 Euro monatlich. Eine Neiddebatte möchte Franziska Giffey sicher vermeiden.

Schlesinger bekommt mehr Gehalt und Pension als Angela Merkel

Ich habe der etwas gereizten Person am Telefon erklärt, ich gönne Franziska Giffey ihre Pension. Ich bin sogar dafür, dass man Politiker noch besser bezahlt. Schließlich tragen diese Menschen große Verantwortung. Schon deswegen sollten die Gehälter und Diäten so hoch sein, dass auch Spitzenleute sich statt für einen Managerjob für den öffentlichen Dienst oder die Politik entscheiden.

Womit ich nicht einverstanden bin: Wenn Gehalt und Altersversorgung überhaupt nicht zu Aufgabe und Verantwortung passen, kein Wettbewerb herrscht und vom Bürger bezahlt wird. Sprich, wenn mehr Geld aus einer staatlichen oder staatsnahen Organisation rausgetragen, als Kompetenz hineingegeben wird.

Der Fall von Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger, die nach einem Filz-Skandal aus ihrem Amt flog, ist so ein Fall. Gestern wurde bekannt, dass sie auch nach ihrem Rauswurf beim RBB den Mut habe, ihre verlustig gegangene Pension einzuklagen. Ihr Medienanwalt Ralf Höcker teilte der Nachrichtenagentur dpa am Freitag mit, dass es um eine Betriebsrente gehe – und Schlesinger 18.384,54 Euro verlange. Pro Monat. Bis an ihr Lebensende.

Es geht um mehr als 3,3 Millionen Euro Betriebsrente

Sollte Patricia Schlesinger Erfolg haben, wär das für sie komfortabel. Geht man davon aus, dass ein Mensch in diesem Land durchschnittlich 80 Jahre alt wird, dann wären das bei Schlesinger, sollte sie mit 65 Jahren in Rente gehen, bei 15 Jahren Ruhestand addiert mehr als 3,3 Millionen Euro Rente – in heutigen Preisen, ohne irgendwelche Zins- und Zeitkomponenten. 

Köln gilt als Metropole des Filzes: 413.000 Euro Grundgehalt im Jahr verdient Tom Buhrow (hier als Clown) als Intendant des WDR.
Köln gilt als Metropole des Filzes: 413.000 Euro Grundgehalt im Jahr verdient Tom Buhrow (hier als Clown) als Intendant des WDR.imago

Damit bekäme Schlesinger sogar eine höhere Rente als Bundeskanzlerin Angela Merkel (rund 15.000 Euro monatlich). Warum? Weil die RBB-Angestellte mit einem Grundgehalt von zuletzt 303.000 Euro jährlich noch mehr verdient als der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (rund 250.000 Euro). 

Das ist unanständig. Zum Ersten, weil die meisten Bürger gar nicht so genau wissen, was so ein Rundfunk-Intendant macht. Vielmehr sind die Funktionärsstellen beim ÖRR gut dotierte Versorgungsposten, in die ein nicht unerheblicher Teil der rund acht Milliarden Euro fließt, die die Bürger jährlich als steuerähnliche Gebühren in das System pumpen. 

Olaf Scholz verdient so viel wie die Chefin des Saarländischen Rundfunks

Ja, beim ÖRR arbeiten Tausende Menschen, gute Journalisten. Aber wieso gibt es bei allen neun Rundfunkanstalten jeweils einen so gut bezahlten Kopf des Wasserkopfs? Die Liste führt der ehemalige Journalist und WDR-Intendant Tom Buhrow mit 413.000 Euro jährliches Grundgehalt an. Dann geht es munter weiter bis runter zu Yvette Gerner. Die Intendantin des Saarländischen Rundfunks (SR) verdient fast genauso viel wie Olaf Scholz. Darunter folgen jeweils noch andere Räte und Direktoren.

Bei den Privatsendern ProSieben oder RTL verdienen die Chefs natürlich noch mehr. Aber dabei handelt es sich um Privatwirtschaft. Der ÖRR hingegen kann nicht Pleite gehen, weil er am Tropf der Bürger hängt. Warum braucht es überhaupt für jede dieser Geld fressenden Quasi-Behörden einen Quasi-Behördenleiter? Könnte das nicht Buhrow als Chef der ARD alleine?

Traurig ist dabei das Selbstverständnis. Die ARD bezeichnet die Gehälter ihrer Spitzenleute als „marktüblich“. Doch welcher Markt? Medienunternehmen wie die Berliner Zeitung kämpfen in Zeiten von steigenden Papierpreisen und Abonnentensterben um neue Geschäftsmodelle und befinden sich in einem harten Wettbewerb mit anderen privaten Konkurrenten.

Der RBB etwa kann befreit von solchen finanziellen Zwängen agieren. Und bleibt mit seinen Inhalten nicht in der „Tagesschau“ und in der regionalen „Abendschau“, sondern breitet sich mit einem Heer von Lokaljournalisten mit seinen auf rbb24.de ausgespielten Artikeln ungeniert im Internet aus. Einem Bereich, in dem privatwirtschaftliche Medien erbittert um jeden Cent kämpfen. Ist das fair?

Null Reform: Die Politik agiert wie der Industrielle Flick

Der WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn wollte den Bürgern den Rundfunkbeitrag mal als „Demokratie-Abgabe“ verkaufen. Dafür wurde er zu Recht kritisiert. Wenn kritische Lokalzeitungen auch durch die Gratisinhalte des ÖRR in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, ist das nicht gut, sondern schlecht für die Demokratie. Die Politik hat leider wenig Interesse an einer Reform. Man sitzt schließlich über die Rundfunkräte gerne mit am Tisch und nimmt dezent Einfluss.

Auch vor diesem Hintergrund fühlt sich die Klage von Schlesinger unanständig an. Ihre Anwälte sagten dem Business Insider: „Es geht ihr nur um ihre Betriebsrente, die sie sich in 32 Jahren erarbeitet hat. Sie soll ihr komplett genommen werden.“ Rechtliche Ansprüche sind legitim, aber man muss auch moralisch wissen, wo die Gier ein Ende hat.

Haben Sie Fragen zum Text oder Anmerkungen bzw. eine Meinung? Dann schreiben Sie uns: briefe@berliner-zeitung.de