Washington - Die US-Regierung unter Donald Trump will wenige Tage vor dem Ende der Amtszeit des Präsidenten noch einen Pflock in die künftige Außenpolitik von Trumps Nachfolger Joe Biden einschlagen: Außenminister Mike Pompeo verkündete am Samstag überraschend das Ende der sogenannten „Ein-China“-Politik, mit der Taiwan gegenüber der Volksrepublik gestärkt werden soll. Pompeo hob in einem Dekret die bisher geltenden Beschränkungen im Umgang amerikanischer Diplomaten und Regierungsvertreter mit deren Ansprechpartnern in Taiwan auf. Er sagte: „Die Regierung der Vereinigten Staaten ergriff diese (einschränkenden) Maßnahmen einseitig, um das kommunistische Regime in Peking zu beschwichtigen. Damit ist jetzt Schluss.“
China verlangt von diplomatischen Partnern, keine offiziellen Kontakte mit der Regierung in Taipeh zu unterhalten. Außenamtssprecherin Hua Chunying hatte am Freitag vor Journalisten in Peking gesagt, einige „antichinesische Politiker“ wie Pompeo täten in ihrer verbleibenden Amtszeit alles, um die Beziehungen zwischen den USA und China zu untergraben. „Wir hoffen und wissen, dass jene in den USA einen hohen Preis für ihr Fehlverhalten bezahlen werden.“
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Taiwan war als Teil der Republik China 1945 Gründungsmitglied der UN und vertrat China in den Vereinten Nationen, bis es die Mitgliedschaft 1971 an die 1949 gegründete Volksrepublik China verlor. In diesem Zusammenhang nahmen viele Staaten volle diplomatische Beziehungen zu Peking auf und stuften sie zu Taipeh herab, auch Taiwans Schutzmacht USA.
Die Beziehungen zwischen der US-Regierung des abgewählten Präsidenten Donald Trump und der Regierung in Peking sind angespannt. Die USA und Taiwan unterhalten nur inoffizielle Beziehungen. Das American Institute in Taiwan (AIT) ist für die Umsetzung der US-Politik gegenüber Taiwan zuständig. Beobachter weisen allerdings darauf hin, dass der Schritt keine vollständige Eskalation darstelle, weil Taiwan trotz der neuen Regeln kein offizieller Status zuerkannt werde.
Die Maßnahme dürfte eher dazu dienen, der neuen Regierung unter Joe Biden eine Abkehr vom konfrontativen Kurs Trumps zu erschweren. Es ist ohnehin fraglich, ob Trump noch in der Lage sein wird, seine letzten Tage im Amt zu überstehen. Die Demokraten wollen am Montag ein neuerliches Amtsenthebungsverfahren einleiten. Auch die Abberufung aus dem Grund der Unzurechnungsfähigkeit ist noch nicht vollständig vom Tisch. Laut CNN soll Vizepräsident Mike Pence diese Möglichkeit noch nicht ausgeschlossen haben. Erste republikanische Senatoren forderten Trump am Wochenende zum Rücktritt auf. Pat Toomey und Lisa Murkowski sagten, Trump solle von sich aus abtreten. Toomey sagte auf CNN, dass Trump wegen seiner Mitwirkung am Sturm auf das Kapitol künftig unwählbar sei und außerdem eine strafrechtliche Verfolgung gewärtigen müsse. Die Sprecherin der Demokraten im Repräsentantenhaus,
Nancy Pelosi, sagte, dass Trump nicht geeignet sei, weiter Präsident zu bleiben und kündigte einen Vorstoß für ein neues Amtsenthebungsverfahren an. Außerdem müsse der Präsident für seine Handlungen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Die demokratische Hoffnungsträgerin Alexandria Ocasio-Cortez sagte, jede Minute, die Trump noch im Amt sei, sei eine Gefahr für die Vereinigten Staaten von Amerika.
Die Möglichkeiten Trumps, wirklich noch einmal aus der Defensive zu kommen, oder konkreten Schaden anzurichten, sind begrenzt. So haben sich bereits vor den Ausschreitungen in Washington führende Militärs in einem Aufruf in der Washington Post von Trump distanziert. Ein finales militärisches Abenteuer ist daher in hohem Maß unwahrscheinlich. Auch Trumps engster Kreis wirkte am Wochenende eher ratlos: Roger Stone, Trumps langjähriger Begleiter und vom Präsidenten erst vor wenigen Wochen begnadigt, entkam in Washington nach eigener Aussage nur knapp einer Verhaftung. Er sei bereits auf einem Flug gewesen, als schwer bewaffnete Spezialeinheiten sein Hotelzimmer in Washington stürmten. Stone war wie andere Agitatoren in Washington gewesen und wird beschuldigt, die Demonstranten aufgewiegelt zu haben.
Unterdessen haben mehrere Unternehmen Personen gefeuert, die am Mittwoch in das Kapital eingedrungen waren. Die Chicago Tribune berichtet von Brad Rukstales, dem Chef des Technologieunternehmens Cogensia. Er war zunächst nur freigestellt worden, nachdem bekannt geworden war, dass er in Washington gewesen sei. Nach einem Proteststurm auf Twitter wurde er fristlos entlassen. Auch seine Entschuldigung konnte den Manager nicht mehr retten: Er sagte, seine Anwesenheit im Kapitol sei „der schwerste Fehler“ seines Lebens gewesen. Es wird erwartet, dass es im Nachgang zu den Ausschreitung zu zahlreichen Strafverfahren kommen wird. (mit dpa)