Spahn will Intensivbetten für Covid-19-Patienten reduzieren

Der Gesundheitsminister plädiert für „eine neue Normalität“ in den Kliniken. Die Ansteckungsrate mit dem neuartigen Coronavirus ist in Deutschland unter einen sehr wichtigen Wert gesunken. 

Berlin-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat bei der Bekämpfung des Coronavirus eine positive Zwischenbilanz der letzten vier Wochen gezogen. Durch die "Vollbremsung" des öffentlichen Lebens in Deutschland sei die Infektionsrate gesunken. Man sei daher in der Lage, in den Kliniken nun auch wieder geplante Operationen zu ermöglichen. Diese waren zurückgefahren worden, um die Zahl der Intensivbetten für Covid-19-Patienten zu erhöhen. 

Gesundheitsminister Jens Spahn (r.) und Lothar H. Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts.
Gesundheitsminister Jens Spahn (r.) und Lothar H. Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts.AFP/John MacDougall

Meist milde Krankheitsverläufe

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„Der Ausbruch ist wieder beherrschbarer geworden“, sagte Spahn. Seit dem 12. April seien mehr Menschen genesen als neu infiziert wurden.  Sechs von sieben Covid-Patienten würden ambulant behandelt, da sie milde Verläufe haben.  Man habe inzwischen 10.000 freie Intensivbetten. „Die werden wir auf Dauer nicht so vorhalten“, sagte Spahn am Freitag. „Wir müssen jetzt darüber reden, wie wir auch da zu einer neuen Normalität im Krankenhausbetrieb kommen.“

Er verwies darauf, dass seit Donnerstag alle Kliniken ihre freien Intensivbetten verpflichtend an ein bundesweites Register melden müssen. Auch das mache es möglich, ab Mai die Zahl der frei zuhaltenden Betten zu verringern.  Spahn schätzte, dass künftig etwa 25 bis 30 Prozent Intensivbetten für Covid-Patienten vorbehalten sein sollten.

350.000 Corona-Tests pro Woche

Insgesamt seien in Deutschland bereits 1,7 Millionen Corona-Tests durchgeführt worden, im Schnitt etwa 350 000 pro Woche. Laut Spahn gebe es in den Laboren Kapazität für mehr als 700 000 Corona-Tests pro Woche. Allerdings sei dafür zurzeit nicht genug Material vorhanden.

Materialmangel scheint das größte Problem in Deutschland zu sein. Nach wie vor gibt es zu wenig Schutzkleidung und Masken für das medizinische Personal.  Weil der Markt so gut wie leer gefegt ist, hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) seit Mitte März die Beschaffung für Deutschlands Kliniken und Praxen übernommen. Spahn sagte, man habe allein in dieser Woche 80 Millionen Schutzmasken nach Deutschland importiert, davon 20 Millionen sogenannter FFP2-Masken, die von Ärzten und Pflegern dringend gebraucht werden.

Maskenproduktion in Deutschland beginnt

Um die heimische Produktion anzukurbeln hat das BMG in dieser Woche insgesamt 50 deutschen Firmen Zuschläge erteilt, die Absatzgarantien für Schutzmaterial bis Ende 2021 beinhalten. Mit ersten Auslieferungen ist hier aber erst im August zu rechnen. Dann aber soll es aus deutscher Produktion pro Woche etwa zehn Millionen OP-Masken geben. „Diese Unabhängigkeit ist wichtig, da die Pandemie noch Monate weitergehen wird“, sagte Spahn.

Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, sprach von einer „Menge mehrheitlicher positiver Tendenzen“ im Verlauf der Pandemie.  Nach Angaben des RKI liegt die sogenannte Reproduktionszahl mittlerweile bei 0,7.

Rückgang bei Neuinfektionen

Die Reproduktionszahl R ist die Anzahl der Personen, die im Durchschnitt von einem Fall angesteckt werden. Das bedeutet, dass derzeit eine mit dem Coronavirus infizierte Person im Durchschnitt weniger als eine weitere Person ansteckt, die Zahl der Neuinfektionen damit zurückgeht. Im März lag diese Zahl noch bei 3. Laut RKI wird seit dem 4. April der Rückgang der Neuinfektionen sichtbar.

Wieler betonte aber erneut, dass man erst am Anfang der Epidemie stehe. Der sogenannte R0-Wert werde jeden Tag neu berechnet und sei nun zum ersten Mal unter eins gesunken. „Ob das stabil bleibt, werden wir sehen“, so Wieler. „Das ist ja keine Tilgung. Das Virus ist ja in unserem Land.“ Wichtig sei weiterhin die Eindämmung der Infektionen durch das Aufspüren von Kontaktpersonen sowie ein erhöhter Schutz besonders gefährdeter Gruppen.

Erste Prüfungen für Impfstoff

Der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, Karl Broich, berichtete von einigen erfolgversprechenden Therapieansätzen im Hinblick auf Medikamente, die den Krankheitsverlauf von Covid-19 zumindest lindern. Es gebe derzeit zwei große Studien in Deutschland zu Therapien, in drei Monaten erwarte man erste Ergebnisse.

Monate wird es vermutlich auch dauern, bis ein Impfstoff gegen das Coronavirus gefunden und zugelassen sein wird. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, dem Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinsche Arzneimittel, zeigte sich dennoch optimistisch. Man arbeite hart daran, sagte er am Freitag.  In Deutschland sollen schon bald erste klinische Prüfungen erfolgen.

Zur Zeit sind laut RKI 133.830 Menschen in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert, das sind 3380 mehr als am Vortag. Fast 82.000 Menschen sind wieder genesen. 3.868 Menschen sind bisher am Virus gestorben.