Üble Beschimpfungen
Mit einer Twitter-Tirade am zweiten Weihnachtstag lieferte Donald Trump schon einen kleinen Vorgeschmack. „Die verrückte Nancy sollte ihren schmutzigen versifften Wahlbezirk säubern und den Obdachlosen dort helfen“, forderte der Präsident, der sich sonst nicht sonderlich um soziale Probleme kümmert. Ganz offensichtlich ging es Trump in Wirklichkeit um eine neue Front gegen Parlamentssprecherin Nancy Pelosi, die er seit Tagen mit üblen Beschimpfungen attackiert.
Nancy Pelosi’s District in California has rapidly become one of the worst anywhere in the U.S. when it come to the homeless & crime. It has gotten so bad, so fast - she has lost total control and, along with her equally incompetent governor, Gavin Newsom, it is a very sad sight!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) December 26, 2019
Als nächster Schritt steht nun der Prozess in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, an. Dort fungieren Vertreter des Repräsentantenhauses quasi als Ankläger und die Senatoren als Geschworene. Die Republikaner verfügen über 53 Sitze, Demokraten und Unabhängige über 47. Deshalb gilt es als höchst wahrscheinlich, dass Trump am Ende freigesprochen wird. Doch für die Eröffnung des Prozesses müsste erst einmal die Klageschrift an den Senat übermittelt werden. Und genau das hat Nancy Pelosi nicht getan, bevor sich das Parlament am vorigen Wochenende für zwei Wochen in die Weihnachtsferien verabschiedete.
Verfahren soll fair verlaufen
Sie hat die Abgeordneten auch keine Ankläger wählen lassen. Nach den Regeln des Senats kann der Prozess daher nicht beginnen. Dahinter steckt ein klares Kalkül: Pelosi will erzwingen, dass das Verfahren zumindest einigermaßen fair verläuft und auch Belastungszeugen gegen Trump gehört werden. Mitch McConnell, den die Demokraten wegen seiner knallharten Durchsetzung republikanischer Interessen „den Sensenmann“ nennen, hat nämlich schon offen erklärt, dass er den Prozess so schnell wie möglich vom Tisch haben will und seine Arbeit „total“ mit dem Weißen Haus koordinieren werde.
Ein mit voller republikanischer Mehrheit erzwungener Freispruch des Präsidenten wäre ein böser Bumerang für die Demokraten, die das Verfahren angestrengt haben. Sie hoffen auf abweichende Stimmen einzelner Republikaner und zunehmenden Druck der öffentlichen Meinung, wenn direkte Akteure und Vertraute des Präsidenten wie sein Amtschef Mick Mulvaney oder Ex-Sicherheitsberater John Bolton zur Ukraine-Affäre befragt werden. „Präsident Trump hat seine eigenen Zeugen und Dokumente dem Repräsentantenhaus auf der Grundlage abwegiger Beschwerden vorenthalten“, sagte Pelosi: „Welchen Vorwand will er jetzt vorbringen?“
Ihr Parteifreund Chuck Schumer, der demokratische Fraktionschef im Senat, haut in dieselbe Kerbe: „Herr Präsident, wenn Sie sicher sind, dass Sie nichts zu verbergen haben, weshalb wollen Sie Ihre Leute nicht aussagen lassen?“
Die Regeln sind unklar
Pelosi und Schumer spekulieren darauf, dass Trump ein Interesse an einem Prozess hat, der seine Unschuld fernsehgerecht untermauert und der Präsident deshalb Druck auf McConnell ausübt, Entlastungszeugen vorzuladen. Dann könnte dieser umgekehrt den Demokraten nicht verwehren, mögliche Belastungszeugen aufzurufen. Der erfahrene Parlamentarier ist sich des Risikos offenbar bewusst. Deshalb weigert er sich bislang, entsprechende Regeln zu vereinbaren. „Wenn sie die Anklage nicht schicken, ist das für mich auch in Ordnung“, behauptete McConnell kühl.