Aussöhnung nicht in Sicht
In das Ergebnis des gescheiterten Amtsenthebungsverfahrens kann jeder hineinlesen, was er will – und tut das auch. Es hat die Spaltung der USA weiter vertieft.

Washington/Berlin-Es ist schade, dass das Amtsenthebungsverfahren gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump ohne aufwendige Zeugenbefragung zu Ende gegangen ist: Die amerikanische Öffentlichkeit sollte ein Interesse daran haben zu erfahren, wer die Rädelsführer beim sogenannten Sturm auf das Kapitol in Washington waren, welche Rolle Trump in den letzten Tagen seiner Amtszeit gespielt hat, welche andere Aktivitäten es gegeben hat und vieles mehr.
Noch interessanter wäre es gewesen zu hören, warum viele Aktivisten, mit durchaus unterschiedlicher politischer Provenienz, in das Gebäude eingedrungen waren, welche Motivation sie angetrieben, welche politische Parolen sie aufgestachelt haben. Vermutlich würde man einen Einblick über den Zustand des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Amerika bekommen, wie ihn keine Umfrage besser gewähren könnte. Vor allem aber hätte man vieles lernen können über die Organisation von Aufständen in Zeiten des Internet. Schon zur Abwehr von zukünftigen Revolutionen wären wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen gewesen.
So kann jeder in das Ergebnis hineinlesen, was er will. Die Demokraten kommentierten das Urteil dialektisch: Trump sei zwar rechtlich freigesprochen, aber moralisch schuldig. So kann man den Rechtsstaat auch relativieren. Trump hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, ein erstklassiges Anwaltsteam zusammenzustellen. Das war ihm der Spaß nicht mehr wert. Natürlich reklamiert er nun für sich, alles gewonnen zu haben: Zwei Amtsenthebungsverfahren zu überstehen, das sei historisch, das habe noch keiner geschafft, dagegen sei eine Wahlniederlage eine Randnotiz der Geschichte. Es folgen Strafverfahren und Mythenbildung. Eine politische Aussöhnung ist nicht in Sicht.