Donald Trumps Angeberei erntet vor der UN-Vollversammlung Gelächter
New York - Donald Trump lässt die Weltgemeinschaft warten. Eine halbe Stunde zu spät betritt der US-Präsident am Dienstag das Gebäude der Vereinten Nationen am East River und erzwingt dadurch eine Umstellung der Tagesordnung.
Statt des Wüterichs aus dem Weißen Haus fährt um Viertel nach Zehn ein Mann im Rollstuhl ans Rednerpult der Vollversammlung. Es ist der Präsident von Ecuador. Seine Eltern habe ihn zu Ehren des russischen Revolutionärs Lenin Moreno genannt.
Es bleibt nicht der einzige Kontrapunkt zu Trumps Auftritt vor der goldenen Wand in der Großen Halle der Vereinten Nationen. Als der Präsident endlich das Wort ergreift und gleich zu Beginn damit protzt, er habe „in zwei Jahren mehr erreicht als irgendeine Regierung zuvor“, brechen einige Delegierte in Gelächter aus.
„So wahr!“, bestätigt sich Trump zunächst selbst, um dann vermeintlich amüsiert hinzuzusetzen: „Diese Reaktion habe ich nicht erwartet. Aber bitte!“
Eine gute halbe Stunde lang bietet Trump dann ein „Best of“ seiner üblichen Reden: Er lobt die boomende Wirtschaft daheim, kritisiert die angebliche Ausbeutung amerikanischer Arbeiter durch unfaire Handelspraktiken, geißelt den zu geringen Beitrag der Verbündeten zur Verteidigung und wirbt am Ende pathetisch für eine „Zukunft in Patriotismus, Wohlstand und Stolz“.
Kritik an Deutschlands Gasversorgung
Deutschland nennt er einmal ausdrücklich beim Namen – als abschreckendes Beispiel für mangelnde nationale Souveränität: „Deutschland wird total abhängig von russischer Energie werden“, bläst Trump seine Kritik an der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 auf.
Trotzdem wirkt die vom Teleprompter abgelesene Rede weniger wild und aggressiv als die Premiere der „America-first“-Vorstellung am gleichen Ort vor einem Jahr. Das mag zum Teil am Abnutzungseffekt liegen.
Gestern noch Todfeind, heute umarmt
Zugleich ist mit Nordkorea ein hochemotionales Feindbild weggefallen. Vor zwölf Monaten noch hatte Trump dem Regime in Pjöngjang mit der totalen Zerstörung gedroht und erklärt: „Der Raketenmann ist auf einer Selbstmordmission.“ Inzwischen hat er sich mit Machthaber Kim Jong-Un getroffen. „Die Raketen fliegen nicht mehr hin und her, die Atomtests sind gestoppt, und die Geiseln sind befreit“, lobt der US-Präsident die Fortschritte: „Ich danke dem Vorsitzenden Kim für seinen Mut.“
So schnell können in Trumps Kosmos tödliche Drohungen und herzliche Umarmungen miteinander abwechseln. Hoch in seinem Ansehen stehen derzeit Indien, Saudi-Arabien, Israel und Polen, deren Entwicklung er überschwänglich preist.
Ganz unten auf der Skala rangieren hingegen China, dessen unfaire Handelspraktiken die USA nicht länger hinnehmen könnten, Venezuela, das „der Sozialismus in den Bankrott getrieben“ habe und – wie schon im Vorjahr – der Iran.
„Wir können dem weltgrößten Sponsor von Terror nicht erlauben, die gefährlichsten Waffen zu besitzen“, kritisierte Trump. Genau deswegen war 2015 das Iran-Abkommen geschlossen worden, das dem Regime in Teheran Erleichterungen bei Wirtschaftssanktionen im Gegenzug für den Verzicht auf eine atomare Aufrüstung zusicherte.
Doch der US-Präsident hat diesen Vertrag als „schlechtesten Deal aller Zeiten“ bezeichnet und aufgekündigt. Der „korrupten Diktatur“ der Mullahs wirft er vor, täglich „Chaos, Tod und Zerstörung“ zu produzieren. Dem müsse sich die restliche Welt entgegenstellen, fordert er: „Wir rufen alle Nationen dazu auf, das iranische Regime zu isolieren, solange diese Aggressionen andauern.“
USA und Europa auf Konfrontationskurs
Diese mit massivem Druck unterstützte Forderung setzt das westliche Bündnis einer Zerreißprobe aus. Die europäischen Verbündeten halten nämlich an dem Abkommen fest. Gerade hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in New York den Plan für eine neue Finanzinstitution vorgestellt, die europäischen Firmen ermöglichen soll, trotz der amerikanischen Sanktionen weiter Geschäfte mit Teheran zu betreiben.
Vor der Rede Trumps tritt der deutsche Außenminister Heiko Maas im strömenden Regen vor die Kameras und wirbt für die Erhaltung des Iran-Abkommens: „Es ist wichtig, dass die Lage in der Region nicht weiter eskaliert und der Iran unter großem Druck wieder in die Nuklearnutzung einsteigt“.
So steuern USA und Europa in der Iran-Politik auf Konfrontationskurs. Trotzdem weiß niemand, ob der unberechenbare Präsident irgendwann die Verbündeten überraschend überholt.
In New York werde er sich nicht mit Irans Präsident Hassan Ruhani treffen, hat Trump vor seiner Rede getwittert: „Aber vielleicht irgendwann in der Zukunft. Ich bin sicher, er ist ein sehr liebenswerter Mann.“