Karlsruhe-Amtswechsel am Bundesverfassungsgericht: An diesem Montag bekommt Stephan Harbarth von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Ernennungsurkunde zum Präsidenten des Gerichts, während sein Vorgänger Andreas Voßkuhle die Entlassungsurkunde erhält. Die Wahl im Bundesrat fand schon Mitte Mai statt. Ab nun hat Harbarth eine Amtszeit von noch rund zehn Jahren vor sich. Wie Voßkuhle kann er eine Ära prägen.
Stephan Harbarth gilt als Spitzenjurist. Bereits als Student in Heidelberg hat er herausragende Ergebnisse erzielt. Als Anwalt spezialisierte er sich auf Aktien- und Gesellschaftsrecht.
Doch Harbarth war immer auch ein politischer Mensch. Schon mit 15 trat er in die Junge Union ein. Ab 2009 vertrat er den Rhein-Neckar-Kreis im Bundestag. Ab 2016 war er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Der verheiratete Vater von drei Kindern ist katholisch und gilt als konservativ. Zum Beispiel stimmte er im Bundestag gegen die Einführung der Ehe für alle. Zugleich wurde er im Parlament aber als sachlich und ausgleichend gelobt, auch aus der Opposition.
Im November 2018 wurde Harbarth eher überraschend zum Richter am Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts gewählt. Kanzlerin Merkel soll sich für den zurückhaltend-verbindlichen Harbarth eingesetzt haben, obwohl er kaum Erfahrung mit Verfassungsrecht hatte. Damals wurde er auch zum Vizepräsidenten des Gerichts gewählt. Damit war klar, dass Harbarth 2020 zum Nachfolger von Präsident Voßkuhle aufsteigt.
Harbarths Amtszeit begann mit ungewöhnlich viel Misstrauen. Immer wieder gab es Kritik wegen einer befürchteten zu großen Konzernnähe. Die Kritiker monieren, dass Harbarths ehemalige Kanzlei SZA (Slogan „Zu uns kommen Konzerne“) im Dieselskandal VW vertritt und Harbarth in seiner Zeit als Anwalt mit seinen Wirtschaftsmandaten extrem gut verdient hat.
Die Vorstellung, ein Konzern könne in Karlsruhe einen genehmen Verfassungsrichter installieren, ist aber recht abwegig. Denn auch der Gerichtspräsident hat in der Abstimmung nur eine Stimme. Wer den Verdacht erweckt, er vertrete fremde Interessen, würde bei den Richterkollegen schnell jeden Respekt verlieren und bliebe isoliert und einflusslos.
Das Gleiche gilt natürlich auch für die Parteipolitik, die zweite vermeintlich offene Flanke von Harbarth. Harbarth ist aber nicht der erste Gerichtspräsident, der vorher Politiker war. Auch Ernst Benda, Roman Herzog und Jutta Limbach hatten vorher Regierungsämter inne. Sie gelten inzwischen als herausragende Richterpersönlichkeiten.