Berlin-Abschied mit Selbstkritik: Kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut eingeräumt, dass sie Versäumnisse in ihrer Klimapolitik sieht.
Bereits bei ihrer letzten Regierungsbefragung hatte sie gesagt, dass man angesichts des Klimawandels mit den Fortschritten der Klimapolitik nicht zufrieden sein könne. Bei ihrem vermutlich letzten Auftritt vor der Bundespressekonferenz am Donnerstag präzisierte Merkel diese Einschätzung. „Es ist einiges passiert, aber gemessen an den Erfordernissen ist nicht ausreichend viel passiert.“ Das gelte nicht nur für Deutschland. „Deshalb muss das Tempo angezogen werden.“
Anderthalb Stunden stellte sich die Kanzlerin den Fragen der Hauptstadt-Journalisten. Sie wirkte dabei gelöster und auch nachdenklicher als bei vorangegangenen Terminen. So erklärte sie auf die Nachfrage, was sie als Regierungschefin gehindert habe, eine konsequentere Klimapolitik zu machen: „Ich bin der Meinung, dass ich sehr viel für den Klimaschutz getan habe. Ich habe lange am Kyoto-Protokoll festgehalten, das war vielleicht ein Fehler.“
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In diesem Abkommen der Vereinten Nationen, das 1997 beschlossen wurde, verpflichteten sich die Länder erstmals verbindliche Ziele anzugeben, wie sie die Treibhausgase reduzieren wollen. Danach, so Merkel, hätten aber nur die EU-Länder und ein paar wenige andere verbindliche Ziele hinterlegt. Von anderen sei zu hören gewesen, dass man sich niemals festlegen lassen werde. „Es gab viele Enttäuschungen“, sagte sie.
Die Protestierenden von Fridays for Future (FFF) nannte Merkel eine „Antriebskraft“. „Das ist positiv, aber das ist nicht die einzige Meinung“, sagte die Kanzlerin. „Wir brauchen parlamentarische Mehrheiten.“ Sie würde sich aber wünschen, dass es auch damit schneller geht. Auf den Atomausstieg angesprochen, bekräftigte sie diese Entscheidung, die nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 getroffen wurde. „Ich halte sie für richtig, jedenfalls als deutsche Bundeskanzlerin für die Bundesrepublik.“ Andere Länder sähen dies anders, und könnten es beim Klimawandel einfacher haben. Es sei interessant, dass es bei den FFF-Aktivisten einige gebe, die angesichts der Klimaziele den Ausstieg aus der Atomkraft für weniger wichtig halten. Es gebe aber kein Zurück dahin: „Für Deutschland sind die Würfel gefallen.“
Im Hinblick auf die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sagte Merkel, dass es einen langen Atem brauchen werde, bis alles wieder aufgebaut sei, zumal auch die Infrastruktur vielerorts zerstört sei. Sie versicherte, dass die Hilfsgelder für die Opfer aufgestockt werden, wenn der Betrag nicht ausreicht. Am Mittwoch hat die Bundesregierung zunächst 200 Millionen Euro freigegeben. „Wenn das nicht ausreicht, wird dieser Betrag natürlich aufgestockt.“
Das Kabinett hat sich am gleichen Tag auch mit der Lage der für Deutschland tätigen Ortskräfte in Afghanistan befasst. Nun könnten sich all jene um ein Visum für Deutschland bemühen, die seit 2013 für die Bundeswehr in Afghanistan als Dolmetscher oder in anderen Berufen tätig waren. Eine Ausreise nach Deutschland soll auch nicht am Geld scheitern: „Man muss gegebenenfalls auch über den Einsatz von Charterflugzeugen nachdenken.“
Merkel war zum 29. Mal in der Bundespressekonferenz zu Gast. Sie hatte bei ihrem Amtsantritt die Termine dort auf einen pro Jahr halbiert. In der Corona-Krise wich sie davon ab und kam öfter, das letzte Mal im Januar. Auch den Termin am Donnerstag nutzte sie, um erneut zu mahnen, dass die Pandemie noch nicht vorbei sei.
„Die Zahlen steigen mit besorgniserregender Dynamik“, sagte Merkel, „wir sind im exponentiellen Wachstum.“ Das einzige Mittel, die Pandemie zu überwinden, sei das Impfen. „Wir wollen alle unsere Normalität zurück, aber diese Normalität erhalten wir nicht allein, wir bekommen sie nur als Gemeinschaft zurück.“ Jede Impfung zähle, so die Kanzlerin. „Je mehr geimpft sind, umso freier werden wir wieder sein.“ Sie rief die Bevölkerung dazu auf, im eigenen Umfeld mit jenen zu sprechen, die noch zögerten: „Werben Sie für den Impfschutz.“
Nach 16 Jahren Regierungszeit betrafen viele Fragen der Journalisten ihre eigene persönliche Bilanz – derartige Ansinnen sind ihr generell unangenehm. Am Donnerstag machte sie auch hier eine Ausnahme. Große Geheimnisse plauderte sie dabei nicht aus, aber einige Nuancen ließen doch aufhorchen. So scheint in Bezug auf die CDU bereits ein Abnabelungsprozess stattzufinden: Auf die Frage, wo sie am Wahltag um 18 Uhr sein werde, erklärte Merkel, dass sie sich darüber noch keine Gedanken gemacht habe. „Aber ich werde schon Verbindung zu der Partei haben, der ich verbunden, äh, deren Mitglied ich bin.“
Auch der Frauenbewegung hinterlässt sie einen großen Satz, auch wenn sie nie als Feministin in Erscheinung getreten ist. Auf die Frage, wie schwer Frauen es in der Politik heute noch haben und wie sie die Unterschiede zwischen den Geschlechtern dort wahrnehme, sagte sie nach kurzer Überlegung : „Tendenziell gibt es bei Frauen eine gewisse Sehnsucht nach Effizienz.“