Europäischer Gerichtshof: Deutschland wegen Auto-Klimaanlagen verurteilt

Luxemburg/Straßburg - Wegen des zu nachlässigen Umgangs mit der Autoindustrie ist Deutschland vom höchsten EU-Gericht verurteilt worden. Die Bundesrepublik habe es versäumt, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass ein klimaschädliches Treibhausgas in Klimaanlagen von mehr als 133 000 Daimler-Fahrzeugen nicht mehr verwendet wird, urteilte der Europäische Gerichtshof am Donnerstag.

Damit gaben die Luxemburger Richter in Teilen einer Klage der EU-Kommission statt, die für die Verfolgung von Verstößen gegen EU-Recht zuständig ist. Eine Strafe gibt es nicht, Deutschland muss jedoch die eigenen Gerichtskosten tragen sowie die Hälfte der Kosten der EU-Kommission.

Die Brüsseler Behörde hatte 2014 ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil es den Einsatz des nach EU-Recht für neue Modelle verbotenen Treibhausgases R-134a in Klimaanlagen zugelassen hatte. Erst im März 2017 - also mehr als zwei Jahre nach Ablauf der Frist von zwei Monaten, die die EU-Kommission gesetzt hatte - ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt eine Umrüstung an.

Daimler hatte den Einsatz damit begründet, dass von der vorgesehenen und umweltfreundlicheren Chemikalie R-1234yf ein Sicherheitsrisiko ausgehe. Andere Hersteller sowie das Kraftfahrt-Bundesamt und die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission teilten die Bedenken nicht. Auch eine zusätzliche Risikoanalyse ergab keine Hinweise auf besondere Gefahren.

EU-Parlament fordert striktere CO2-Grenzwerte

Auf Konfrontationskurs mit der Bundesregierung hat sich auch das EU-Parlament begeben: Am Mittwoch einigten sich Abgeordneten auf eine gemeinsame Haltung zu strikteren CO2-Grenzwerten für die Flotten der Autobauer. Sie fordern eine Senkung der Grenzwerte um 40 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2020. Damit strebt das Parlament ehrgeizigere Ziele an als die EU-Kommission und die Bundesregierung, die den Ausstoß um 30 Prozent drücken wollen.

Außerdem fordern die Abgeordneten, dass Autobauer bis 2030 mindestens 35 Prozent Autos mit geringem oder keinem CO2-Ausstoß verkaufen. Bevor neue Vorgaben verbindlich eingeführt werden können, muss sich das EU-Parlament aber mit den Mitgliedstaaten einigen. Die EU-Umweltminister wollen am 9. Oktober eine Position festlegen. Die deutsche Autoindustrie hofft nun auf weniger scharfe Vorgaben.

So funktionieren die Grenzwerte

Rund ein Viertel der gesamten Treibhausgas-Emissionen in der EU stammten zuletzt aus dem Transportsektor. Dabei kommt Autos und Lastwagen die Rolle der wichtigsten Klimasünder zu - weit vor Flugzeugen und Frachtschiffen. Laut dem Umweltausschuss des EU-Parlaments ist der Transportsektor der einzige Bereich, in dem der Ausstoß an klimaschädlichen Gasen wie CO2 in der EU weiter wächst - im Gegensatz beispielsweise zur Landwirtschaft oder zur Industrie.

In der Diskussion geht es um neue flottenweite CO2-Grenzwerte für Neuwagen und Kleintransporter. „Flottenweit“ - das bedeutet: Die Grenzwerte legen fest, wie viel CO2 die verkauften Neuwagen eines Autobauers im Schnitt ausstoßen dürfen. Für jeden Hersteller werden eigene Werte festgelegt. Wer vor allem schwere und große Autos produziert - wie viele deutsche Marken - dessen Flotte darf auch mehr Kohlendioxid ausstoßen. Hauptsache, am Ende wird im Schnitt der europaweit festgelegte Grenzwert eingehalten.

Die Autohersteller schlagen wegen der angepeilten 40 Prozent Alarm. Die am Mittwoch abgestimmten „extrem aggressiven“ Ziele zwängen die Industrie zu einer „dramatischen Umwandlung in Rekordzeit“, erklärt der europäische Herstellerverband Acea. Arbeitsplätze seien in Gefahr. Außerdem fehlten bislang die Voraussetzungen für so viele Autos mit Batterieantrieb. (rnd/dpa)