Europaparteitag der Grünen: Rebecca Harms ist Spitzenkandidatin

Dresden - Klarer Sieg nach Kampfabstimmung: Die deutschen Grünen gehen mit der Anti-Atom-Aktivistin Rebecca Harms als Spitzenkandidatin in die bevorstehende Europawahl. Die 57-jährige Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament setzte sich am Samstagnachmittag beim Parteitag in Dresden überraschend klar gegen ihre Herausforderin Ska Keller (33) durch. Männlicher Part des deutschen Spitzenduos wird der 44-Jährige Finanzexperte und Globalisierungskritiker Sven Giegold sein.

Die Niedersächsin Harms, die dem Realo-Flügel der Partei angehört, erhielt im Kampf um den ersten Listenplatz nach einer packenden Rede rund 65 Prozent der Stimmen. Die Brandenburgerin Keller, die zum linken Flügel zählt und von der Grünen Jugend unterstützt wurde, kam nur auf 33 Prozent.

Pikant ist, dass Keller trotz ihrer Niederlage im Wettbewerb um den ersten Platz auf der deutschen Wahlliste gleichwohl Spitzenkandidatin der Europäischen Grünen Partei sein wird: Sie hatte Ende Januar eine europaweite, hochgradig umstrittene Online-Abstimmung darüber für sich entschieden. Keller kümmert sich im EU-Parlament bislang vor allem um Flüchtlingspolitik. Sie sagte nach der verlorenen Kampfkandidatur am Samstag: "Ich bin europäische Spitzenkandidatin. Und das kann mir niemand mehr nehmen."

Grüne setzen auf Erfahrung und Erneuerung

Die Siegerin Harms sagte erleichtert: "Ich spiele nicht plötzlich in einer anderen Klasse als Martin Schulz oder Guy Verhofstadt." Schulz soll die deutschen und europäischen Sozialdemokraten in die Europawahl am 25. Mai führen, der Belgier Guy Verhofstadt ist Spitzenkandidat der europäischen Liberalen. Harms will auch in der kommenden Legislaturperiode Chefin der grünen Fraktion im EU-Parlament werden.

Mit der Nominierung des Duos Harms/Giegold setzen die deutsche Grünen gleichermaßen auf Erfahrung und Erneuerung. Außerdem ist das Gleichgewicht zwischen Realo- und linkem Flügel gewahrt. Der ehemalige Attac-Aktivist Giegold gehört dem EU-Parlament erst seit einer Legislaturperiode an. Er hat sich in dieser Zeit über die Parteigrenzen hinweg einen guten Ruf als Finanzexperte erarbeitet. Im Ringen um den richtigen Kurs bei der Euro-Rettung gehörte er zu den Wortführern im Parlament. Bei der Abstimmung am Samstag in Dresden erhielt er mehr als 91 Prozent der Stimmen.

Ska Keller wird nun auf Platz drei der deutschen Grünen in den EU-Wahlkampf ziehen. Auf Platz vier wurde der ehemalige deutsche Parteichef und jetzige Vorsitzende der Europäischen Grünen Partei, Reinhard Bütikofer (61) gewählt.

Die Delegierten des Dresdner Grünen-Parteitags wollen noch bis einschließlich Sonntag die Weichen für die bevorstehende Europawahl stellen. Die Arbeiten am Wahlprogramm sind bereits abgeschlossen. Im Mittelpunkt stehen die Kernthemen Umweltschutz, Klimapolitik und Bürgerrechte.

Eine leidenschaftliche Debatte gab es am Samstag über die Frage, wie sich die Grünen zum geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA verhalten sollen. Die Partei fordert nun einen Stopp der Verhandlungen und einen anschließenden Neustart. Damit soll sichergestellt werden, dass das Verfahren transparent abläuft und keine europäischen Standards im Hinblick auf Recht, Umweltschutz oder Lebensmittelsicherheit ausgehöhlt werden.