Facebook-Gesetz gegen Hasskommentare: Bremens SPD-Justizsenator Martin Günthner kritisiert Heiko Maas

Herr Günthner, Ihnen ist der Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas nicht scharf genug. Warum?

Der Entwurf geht in die richtige Richtung. Der Bundesjustizminister setzt damit Forderungen der Justizministerkonferenz um. Der Gesetzentwurf hat aber Schwachstellen. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sind die Bußgelder, die in dem Gesetzentwurf vorgesehen sind, kein sonderlich realistisches Szenario. Sie können nämlich nur dann verhängt werden, wenn man den Betreibern von sozialen Plattformen nachweisen kann, dass sie generell kein ordnungsgemäßes Beschwerde- und Löschungssystem für rechtswidrige Inhalte bereithalten, also ein strukturelles Versagen vorliegt. Hinzu kommt, dass die Behörden, bevor sie ein Bußgeld verhängen können, von einem Gericht klären lassen müssen, ob die fraglichen Inhalte tatsächlich rechtswidrig sind. Aus meiner Sicht ist das Verfahren damit überfrachtet und Bußgelder, die faktisch nie verhängt werden, erfüllen nicht ihre Funktion.

In der Diskussion wird der Gesetzentwurf als eine Gefahr für die Meinungsfreiheit angesehen.

Mir geht es um die Sache. Ich habe den Eindruck, dass das Justizministerium den Internetunternehmen mit diesem Entwurf entgegengekommen ist. Das Bußgeldverfahren, so wie es jetzt vorgesehen ist, ist ein Scheinverfahren, an dessen Ende es wahrscheinlich nie zu Bußgeldern kommen würde. Richtig ist, dass wir uns mit der Löschung von Beiträgen in den sozialen Netzwerken in den sensiblen Bereich der Meinungsfreiheit begeben. Und es ist ganz klar: In unserer offenen Demokratie schützt die Meinungsfreiheit auch überspitzende, abstoßende und hässliche Äußerungen. Die Meinungsfreiheit endet aber dort, wo das Strafrecht beginnt. Zwischen dem Interesse an einem scharfen Gesetz und der Wahrung der Meinungsfreiheit bleibt der Gesetzentwurf von Herrn Maas leider auf halber Strecke stehen.

Anzeige | Zum Weiterlesen scrollen

Die Androhung von Bußgeldern könnte dazu führen, dass die Internetunternehmen auch Postings und Kommentare löschen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Sehen Sie diese Gefahr nicht?

Doch. Es muss natürlich möglich sein, seine Meinung, auch wenn sie kontrovers ist, zu äußern. Wir wollen ein scharfes Gesetz gegen Hassrede und gleichzeitig dürfen wir die Meinungsfreiheit auf keinen Fall einschränken. Daher müssen letztlich Gerichte klären, was zulässig ist und was nicht. Nach dem jetzigen Entwurf wäre die Entscheidung, was gelöscht werden muss und was nicht, Facebook überlassen. Aber um es ganz klar zu sagen: Unser derzeitiges Problem liegt woanders. Statt zu viel zu löschen, bleiben große soziale Netzwerke oftmals schlicht untätig. Der Rechtsstaat kann es nicht hinnehmen, dass Hass, Hetze und Rassismus in den sozialen Medien eine Plattform finden und Straftaten letztlich ungeahndet bleiben. Dies gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

Welche Schwachpunkte hat das Gesetz noch?

Wie schon gesagt, sind die Hürden für Bußgelder zu hoch. Außerdem verpflichtet der Entwurf die Betreiber sozialer Netzwerke nicht, die Strafverfolgungsbehörden über strafbare Inhalte und deren Urheber zu informieren. Hinzu kommt, dass die im Gesetzentwurf aufgezählten Straftatbestände, bei denen ein Posting gelöscht werden muss, nicht ausreichen. Ich finde es zum Beispiel unverständlich, dass die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, also die Beleidigung eines Verstorbenen, als Straftatbestand nicht im Entwurf vorkommt. Das ist ein unhaltbarer Zustand für Angehörige.