Berlin. FDP-Chef Christian Lindner pocht auf eine stärkere Beteiligung des Bundestags an Entscheidungen über die Corona-Maßnahmen. „Die wesentlichen Fragen müssen im Parlament entschieden werden“, sagte er am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Bei den Maßnahmen, die zur Debatte stünden, gehe es um weitreichende Freiheitsbeschränkungen. Deshalb müsse über die wissenschaftliche Grundlage, aber auch über mögliche mildere Mittel gesprochen werden. Lindner forderte „regionalisierte Maßnahmen, aber nicht pauschal Ausgangssperre“.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) informiere die Fraktionsvorsitzenden am Vormittag in einer Videokonferenz über die Überlegungen. „Das ersetzt aber nicht eine Debatte in der Öffentlichkeit“, so Lindner. Merkel berät am Dienstagnachmittag mit den Ministerpräsidenten der Länder über das weitere Vorgehen.
Zustimmung soll verpflichtend sein
Die FDP-Fraktion will laut einem Medienbericht die Regierung per Gesetz verpflichten, die Zustimmung des Bundestags vor solchen Beratungen einzuholen. „Beabsichtigt die Bundesregierung, bundesweit einheitliche infektionsschutzrechtliche Maßnahmen der Länder im Rahmen der Bund-Länder-Koordination herbeizuführen, ist sie verpflichtet, die Zustimmung des Deutschen Bundestages zuvor einzuholen“, zitiert das Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag) aus einem Gesetzentwurf der Fraktion. „Kann eine Zustimmung wegen Gefahr im Verzug nicht erlangt werden, ist unverzüglich die nachträgliche Genehmigung durch den Deutschen Bundestag einzuholen.“
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Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann sagte mit Blick auf die Beratungen von Kanzlerin und Ministerpräsidenten: „Die Verfassung hat dieses Gremium nicht geregelt, weil sie es nicht kennt.“ Diese Lücke müsse geschlossen werden, „denn nur so ist sichergestellt, dass transparent alle Alternativen in Betracht gezogen werden.“
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wehrte auf Twitter die Forderung mit Verweis auf Bismarcks Erbe ab:
Die MPK mit Bundeskanzlerin & Bundesministern ist ein Erbstück aus der Bismarck-Zeit. Es ermöglicht „unity in diversity“. Wir brauchen es, wenn die Zeiten schwer sind, nicht, wenn sie gut sind. Aber natürlich kann der Bundestag jederzeit das Bundesinteresse formulieren. https://t.co/UWyYtzS1Qu
— Peter Altmaier (@peteraltmaier) January 17, 2021
Bereits bei vorherigen Entscheidungen bezüglich der Corona-Maßnahmen forderten die Freien Demokraten die Beteiligung des Parlaments. Sie verlangten ebenso ein Gesetz, auf dessen Grundlage die Priorisierung bei der Corona-Impfung basiert. Aktuell gibt es nur eine Verordnung dazu.
Die Linke teilt die Auffassung der FDP: „Es ist völlig inakzeptabel, dass sich die Bundesregierung quasi notorisch vor jeder neuen Kungelrunde mit den Ministerpräsidenten der nötigen Debatte im Deutschen Bundestag entzieht", sagte Jan Korte, erster parlamentarischer Geschäftsführer der Linken-Fraktion der Berliner Zeitung. „Wer eine breite gesellschaftliche Akzeptanz für die Corona-Maßnahmen und erneuten Verschärfungen haben will, der muss diese transparent erklären, sich der Diskussion und kritischen Fragen stellen. Und das kann eben nicht im Hinterzimmer, sondern nur in den Parlamenten passieren.“
Die Grünen hingegen schließen sich einer Forderung nach einer Parlamentsdebatte nicht an. Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, meint, dass die Beteiligung des Parlaments durch zwei Sondersitzungen des Gesundheitsausschusses gegeben sei.
Stimmt nicht, dass der Bundestag nicht beteiligt ist! Bundestag ist doch nicht nur das Plenum, sondern auch die Ausschüsse. Wir machen, während FDP redet. @GrueneBundestag haben dafür gesorgt, dass es 2 Sonder-Ausschusssitzungen gibt. Gesundheitsausschuss tagt gerade.
— Britta Haßelmann (@BriHasselmann) January 19, 2021
Die AfD fordert derweil, den Lockdown aufzuheben und das „Demokratiedefizit zu beheben“. „Die Bundes- und Landesregierungen regieren momentan an den Parlamenten vorbei, Diskussionen in diesen finden größtenteils nur nach bereits getroffenen Entscheidungen statt.“ Dieser Zustand müsse beendet werden.