Fiskalpakt: Däubler-Gmelin kündigt Verfassungsklage an
Die frühere Bundesjustizminister Herta Däubler-Gmelin will Verfassungsbeschwerde gegen den geplanten Euro-Rettungsschirm ESM und den Euro-Fiskalpakt einlegen. Mit beiden Maßnahmen würden das Haushalts- und Kontrollrecht des Bundestags beschnitten. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil zur Griechenland-Hilfe aber festgelegt, dass der Bundestag sein Budgetrecht nicht in der Substanz aufgeben dürfe, weder ganz noch teilweise.
"Hier wird eine rote Linie überschritten“, sagte Däubler-Gmelin im Gespräch. Die SPD-Politikerin will die Beschwerden gemeinsam mit der Organisation „Mehr Demokratie e.V. “ am Donnerstag in Berlin vorstellen. „Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer Beschwerde eine sehr gute Chance haben.“ Auch die Linkspartei und der CSU-Politiker Peter Gauweiler planen Verfassungsbeschwerden gegen die Instrumente zur Euro-Rettung.
Die beiden Prozessbevollmächtigten von „Mehr Demokratie“, Däubler-Gmelin und der Leipziger Professor Christoph Degenhart, wollen ihre Beschwerden einreichen, sobald der Euro-Rettungsschirm und den Fiskalpakt ratifiziert sind. Dies ist bis zur Sommerpause geplant.
Pakt mit Ewigkeitscharakter
„Ich bin sehr für Europa, aber nicht für ein Europa, das nur von den Regierungseliten bestimmt wird“, sagte die einstige Justizministerin der Regierung Schröder. „Es kann nicht sein, dass Europa die Rechte der nationalen Parlamente wegnimmt, ohne das Europa-Parlament und die Beteiligungsrechte der Bürger entsprechend zu stärken. Europa muss demokratisch sein.“
Grundsätzlich sind vor allem die Bedenken gegen den Fiskalpakt, den die Bundesregierung bei ihren europäischen Partnern durchgesetzt hatte. Mit dem Pakt haben 25 der 27 EU-Länder eingewilligt, sich zu ausgeglichenen Haushalten und raschem Schuldenabbau zu verpflichten. Kritiker bemängeln, dass der Vertrag kein Kündigungsrecht vorsieht und deswegen nur im Einverständnis aller Mitgliedsstaaten aufgelöst werden könne. Anders als bei der Schuldenbremse, die Bund und Länder vereinbart hatten, habe der Fiskalpakt damit eine Art Ewigkeitscharakter. Damit werde aber das Haushaltsrecht des Bundestags ausgehöhlt.
„Beim Fiskalpakt gibt es zwei springende Punkte“, sagte Däubler-Gmelin. „Der eine ist, dass er nicht gekündigt werden kann. Der andere ist, dass EU-Kommission und –Ministerrat weitgehende Kontrollbefugnisse über die nationalen Haushalte erlangen, ohne dass das Europäische Parlament oder die nationalen Parlamente daran mitwirken.“ Dies gefährde aber die gesellschaftliche Akzeptanz solcher Entscheidungen, zumal wenn sie Einschnitte in so sensiblen Bereichen wie der Sozialpolitik bedeuteten.
Aufruf zur Volksabstimmung
Der Euro-Rettungsschirm ESM soll nach dem Willen der EU-Regierungen ab Juli mit einer Deckungssumme von 700 Milliarden Euro ausgestattet werden, um angeschlagene Euro-Länder mit Krediten versorgen zu können. Nach Angaben von Däubler-Gmelin sind zusätzliche Beiträge für den Fonds in dem Vertrag zwar nicht ausdrücklich vorgesehen. Wenn die Finanzkrise aber solche Ausmaße annehme, dass die Deckungssumme nicht mehr reiche, werde es ohne Nachschusspflicht nicht gehen. Dies verletze die Haushaltsrechte des Deutschen Bundestags, der nicht abschätzen könne, welche Haftungssummen er eigentlich bewillige.
„Wenn man eine solche Vereinheitlichung und Zentralisierung der Wirtschafts- und Währungspolitik wünscht, hätte man einen Europäischen Konvent einsetzen müssen, um einen neuen EU-Vertrag auszuarbeiten“, sagte die ehemalige Justizministerin. „Aber den Weg ist man nicht gegangen. Stattdessen haben die Regierungen untereinander Sonderverträge abgeschlossen, die die EU-Verträge ändern. Und dazu noch hat man es versäumt, dem Europäischen Parlament Kontrollrechte einzuräumen.“
Nach Auffassung der Organisation „Mehr Demokratie“ könnten die verfassungsrechtlichen Probleme durch Volksabstimmungen über den Rettungsschirm und den Fiskalpakt gelöst werden. Auch Däubler-Gmelin wies darauf hin, dass die EU mit diesen beiden Instrumenten einen entscheidenden Schritt zu einer europäischen Staatlichkeit tue. „Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung mehrmals gesagt, dass in diesem Fall eine neue Verfassung nötig ist“, sagte Däubler-Gmelin. „Die Bevölkerung muss dem zustimmen.“