Forsa-Umfrage vor Landtagswahl in Hessen: Grüne in Berlin vorn

Berlin - Erfolg macht attraktiv. Auch die Berliner Grünen profitieren vom Hoch ihrer Partei. Kurz vor der Hessenwahl, bei der sie mit satten Zuwächsen rechnen können, liegen die Grünen auch in Berlin an der Spitze. Das ergibt die jüngste Forsa-Umfrage für die Berliner Zeitung. Erstmals seit fast zehn Jahren könnten die Grünen demnach – rein rechnerisch – den Regierenden Bürgermeister stellen. Mit 22 Prozent bei der Sonntagsfrage liegen sie vor allen anderen Parteien. Die Exklusivumfrage zeigt aber auch: Die Berliner sind vor allem mit dem Erscheinungsbild der großen Koalition im Bund nicht zufrieden.

Das Ansehen des Kabinetts Merkel schadet dabei vor allem der SPD. In der repräsentativen Umfrage des Instituts Forsa, bei der in den vergangenen Tagen 1.005 Berliner befragt wurden, machen 44 Prozent das erneute Abrutschen der Landes-SPD an der Arbeit der großen Koalition im Bund fest. Nur unter den SPD-Anhängern in Berlin glauben sogar 56 Prozent, die große Koalition sei für die Misere der Partei in der Stadt verantwortlich. 47 Prozent der Berliner sind allerdings der Ansicht, dass die sinkende Zustimmung für die SPD auf Landesebene mit dem Zustand der SPD in Berlin zusammenhänge. Auch nicht erfreulich.

Tatsächlich ist in Berlin die Bundes-SPD derzeit noch unbeliebter als die Landes-SPD. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, würden nur noch zwölf Prozent der Berliner die SPD wählen – ein schwindelerregender Wert und noch einmal zwei Prozentpunkte schlechter als bei der Umfrage im Vormonat. Bei einer Abgeordnetenhauswahl würden 15 Prozent ihr Kreuz bei der SPD machen (minus 1 Prozentpunkt).

Zum Vergleich: Die Grünen würden bei einer Bundestagswahl in Berlin 26 Prozent holen (+ 4 Prozentpunkte) und damit stärkste Partei werden. Und auch für eine Abgeordnetenhauswahl hielte der Trend an. Die Grünen wären eben mit 22 Prozent stärkste Partei in Berlin (ebenfalls + 4 Prozent). Solch eine Situation gab es zuletzt Ende 2010, als Renate Künast ihre Bürgermeisterkampagne gegen den damaligen Amtsinhaber Klaus Wowereit führte. Am Ende blieb Wowereit damals Sieger.

Weniger „Sowohl als auch“

Solche Werte im Land wie im Bund hinterlassen ihre Spuren. Der Unmut über den derzeitigen Kurs der SPD-Führung wächst in der Partei. Die langjährigen SPD-Abgeordneten Lothar Bindung und Axel Schäfer fordern in einem Schreiben an die anderen Fraktionsmitglieder, die Partei müsse sich eindeutiger positionieren. „Sagen wir öfter Ja oder Nein“, schreiben Binding und Schäfer in dem Papier, das der Berliner Zeitung (Redaktionsnetzwerk Deutschland) vorliegt. Auch wenn das politische Leben häufig vom „Sowohl als auch“ bestimmt werde, seien „in der heutigen Parteienlandschaft mehr denn je Unterscheidungen notwendig“. Die Abgeordneten fordern „Profil und klare Ansage“. „Meinungsunterschiede müssen deutlicher herausgestellt werden, bevor notwendige Kompromisse beschlossen werden.“ Das lässt sich als Mahnung an die SPD-Führung aus Parteichefin Andrea Nahles und Vize-Kanzler Olaf Scholz verstehen, die der Partei in erster Linie solides Regieren verordnet haben.

Ob es aber die große Koalition noch lange geben wird, ist keineswegs ausgemacht. Wenige Tage vor der Hessenwahl sagte Nahles, sie könne „überhaupt nichts garantieren, aber wenn ich jetzt darauf wetten würde, würde ich sagen: ja.“ Sollte Schwarz-Rot im Bund platzen, rechnen Nahles aber auch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer mit Neuwahlen: „Sollte diese Regierung jetzt auseinanderbrechen, wird es auf Neuwahlen herauslaufen", sagte Kramp-Karrenbauer am Donnerstag. Zwischen den Parteien sei es so angespannt, dass „niemand zu 100 Prozent sagen kann, wie stabil das bleibt“.

Scholz und Maas bessere Werte als Nahles

So oder so aber könnte die Hessenwahl für SPD-Chefin Nahles zur Schicksalswahl werden. Bei der Berliner Forsa-Umfrage schneidet sie schlecht ab. Nur 15 Prozent beurteilen ihre Arbeit als gut beziehungsweise sehr gut. Ein gutes Drittel hingegen für weniger gut (38 Prozent) und eines sogar für schlecht (37 Prozent). Selbst 70 Prozent der SPD-Anhänger beurteilt Nahles negativ. Im Unterschied zu einer bundesweiten Befragung von Forsa, als nur 29 Prozent „jemanden anderes“ für besser geeignet für den SPD-Vorsitz hielten, waren es in Berlin 40 Prozent.

Bessere Werte als Andrea Nahles erhalten etwa Olaf Scholz als Finanzminister sowie Außenminister Heiko Maas. Scholz’ Arbeit wird von 41 Prozent der Berliner als sehr gut bis gut bewertet, Maas kommt auf 47 Prozent.

Topwerte für Franziska Giffey

Der sozialdemokratische Umfrageliebling der Berliner aber ist mit Abstand Franziska Giffey. Die frühere Neuköllner Bezirksbürgermeisterin und aktuelle Bundesfamilienministerin erhält in Berlin 59 Prozent Zustimmung, nur 22 Prozent bewerten ihre Arbeit im Bund als weniger gut oder schlecht. Die besten Werte holt Giffey naturgemäß bei den Berliner SPD-Anhängern (84 Prozent sehr gut bis). Scholz erhält von den Berliner SPD-Fans 81 Prozent Zustimmung, bei Maas sind es 73 Prozent.

Dass aber ein möglicher Wechsel an der Parteispitze den Trend gegen die SPD und hin zu den Grünen prinzipiell umkehren könnte, ist für viele Befragte überhaupt nicht ausgemacht. Gefragt nach dem Höhenflug der Grünen glauben immerhin 40 Prozent der Berliner, dass er anhält – bundesweit sind es 34 Prozent.