Giffey will keine Mieten über 30 Prozent des Einkommens
Die Regierende hat einen Plan für geringere Mieten. Doch neu ist der nicht. Die Deutsche Wohnen setzt ihn schon länger um. Wo ist der Mehrwert?

Die Mieten steigen, was lässt sich dagegen tun? Diese Frage hält die Berliner Politik weiter in Atem und setzt die rot-grün-rote Koalition unter Druck. Vor allem die SPD als größte Regierungspartei gerät zunehmend in Erklärungsnot, schließlich schwebt die Drohung einer Enteignung großer Immobilienkonzerne über der Berliner Regierung. Jetzt preschen die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und Bausenator Andreas Geisel (beide SPD) vor: Die Miete soll 30 Prozent des Einkommens nicht überschreiten, sagen sie.
Der freiwillige Mietenstopp ist tot – es lebe eine Begrenzung der Miete auf maximal 30 Prozent des Haushaltseinkommens. Ebenfalls freiwillig. So oder so ähnlich liest sich der neue Vorschlag aus dem Hause Geisel, den Franziska Giffey am Wochenende lanciert hat.
Jeder könne dann prüfen, ob seine Miete über 30 Prozent des Einkommens liege, so die Regierende Bürgermeisterin. Sollte dies so sein, müsse eine öffentliche Mietpreisprüfstelle den Fall übernehmen und im Zweifelsfall den Vermieter zu einer Mietminderung zwingen.
Hintergrund des Plans sind die Verhandlungen im Berliner Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen. Das Bündnis, zu dem Vertreter privater und landeseigener Wohnungsbaukonzerne sowie Genossenschaften mit Senatspolitikern zusammenkommen, war zu Beginn der Wahlperiode vor allem auf Wunsch der SPD gegründet worden.
Ursprüngliches Ziel: Die Politik wollte die Immobilienwirtschaft zu einem freiwilligen Mietenmoratorium bewegen, einem Mietenstopp plus Inflationsausgleich von einem oder zwei Prozent – „als Beitrag für eine moderate Mietentwicklung und zum Schutz vor Verdrängung“, wie es hieß.
Vor allem die SPD hofft auf Erfolge bei der Mietenbegrenzung, um der Enteignungsbewegung Schwung und Schlagkraft zu nehmen. Und ein Erfolg wird immer wichtiger, zumal Geisel unlängst eingestehen musste, dass der Wohnungsneubau nicht so vorankommt, wie er, der Bausenator, gehofft hatte. 200.000 neue Wohnungen in zehn Jahren will die Koalition bauen lassen – im Schnitt 20.000 pro Jahr. Eigentlich.
Doch von dieser Zahl ist Berlin derzeit weit entfernt. Als Gründe nannte Geisel eine Mischung aus unkalkulierbaren Preissteigerungen, Materialknappheit und teilweise auch Personalmangel, mit der die Baubranche zu kämpfen habe.
Die Inflation frisst den Mietenstopp
Quasi gleichzeitig verabschiedete sich Geisel vorige Woche vom freiwilligen Mietenstopp. Bei mehr als sieben Prozent Inflation sei kein Mietmoratorium mit maximal zwei Prozent zu vereinbaren, so der Senator. „Und wir können die Mietentwicklung auch nicht an die Inflation koppeln, weil sie einfach zu hoch ist – sieben Prozent Inflation würden sieben Prozent Mietsteigerung bedeuten.“ So kam es, dass in der „Schlussfassung“ für ein Papier des Wohnungsbaubündnisses von einem solchen Moratorium keine Rede mehr ist.
Sicher ist: Am 20. Juni soll das Abschlusspapier des Bündnisses von Vertretern der Politik sowie von Mieter- und Vermieterverbänden unterzeichnet werden.
Selbst Deutsche Wohnen verzichtet schon auf übermäßige Mieterhöhungen
Doch werden die Vermieterverbände den 30-Prozent-Plan überhaupt unterzeichnen? Größter Verband der Region ist der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Seine Mitgliedsunternehmen – öffentlich, genossenschaftlich, privat oder kirchlich – verfügen in Berlin über mehr als 745.000 Wohnungen. Das sind rund 44 Prozent des Berliner Mietwohnungsbestandes.
Am Montag zeigte sich der BBU auf Anfrage der Berliner Zeitung zurückhaltend. Der Plan einer Koppelung an das Haushaltseinkommen sei derzeit Verhandlungsgegenstand, deshalb wolle man das nicht kommentieren, hieß es.
In jedem Fall ist die Idee nicht grundstürzend neu. Eine Reihe von Vermietern wendet eine solche Regelung schon jetzt an. Das sind zum einen die landeseigenen Wohnungsbauunternehmen, die bereits 2017 eine entsprechende Kooperationsvereinbarung unterzeichnet haben.
Selbst die börsennotierte Deutsche Wohnen – so etwas wie der Hauptfeind Berliner Mieteraktivisten und nicht zufällig deshalb auch Namensgeber der Enteignungskampagne – hat im Jahr 2019 unter zunehmendem gesellschaftlichen Druck öffentlich ein „Versprechen an unsere Mieter“ gegeben. Darin heißt es: „Wir werden Mieterhöhungen nach Modernisierungen nicht vornehmen, wenn und soweit dadurch die Jahresbruttowarmmiete für eine bedarfsgerechte Wohnung mehr als 30 Prozent des jährlichen Nettoeinkommens einer Mieterin oder eines Mieters und der im Haushalt lebenden Personen betragen würde.“
Seltene Koalition: Linke und CDU kritisieren SPD-Vorschlag
Bislang stößt der Vorstoß von Giffey und Geisel vornehmlich auf Skepsis und Kritik. Vor allem bei der politischen Konkurrenz – und aus völlig unterschiedlichen Gründen. Für die Linken, Befürworter einer Enteignung, gehen die 30 Prozent nicht weit genug.
„Mittlerweile geben ungefähr die Hälfte der Mieterinnen und Mieter mehr als 30 Prozent ihres Gehalts für Miete aus, insofern muss sich dringend etwas ändern“, sagte die wohnungspolitische Sprecherin Caren Lay der „Welt“. „Allerdings würde der Vorschlag von Frau Giffey dazu führen, dass Vermieter künftig hauptsächlich an Menschen mit hohem Einkommen vermieten wollen und arme Haushalte kaum mehr eine Wohnung finden.“
Selbst Lederer befürchtet hier ein Demokratiemonster
Lays Parteifreund Klaus Lederer, in Berlin als Kultursenator Koalitionspartner der SPD, hält die Überlegung für „unrealistisch“, wie er dem Tagesspiegel sagte. Ein Verfahren zur Prüfung Zehntausender Mietverhältnisse sei nicht praktikabel. „Das ist bestenfalls für Härtefälle eine geeignete Lösung.“
In eine ganz andere Richtung geht die Kritik aus der CDU. Der wohnungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, der Tempelhof-Schöneberger Abgeordnete Jan-Marco Luczak (CDU), hält die 30-Prozent-Idee für ein „politisch überschaubares Ablenkungsmanöver“. Eine verbindliche Mietobergrenze und Mietpreisprüfstelle seien „der erste Schritt zu einem vollständig durchregulierten und behördlich überwachten Mietmarkt“, so Luczak. Dies wäre rechtlich fragwürdig und in der Sache kontraproduktiv. Denn Mieter müssten ihrem Vermieter oder der Mietpreisprüfstelle etwa ständig Rechenschaft über ihr aktuelles Monatseinkommen ablegen.
Noch härter klingt die Ablehnung des baupolitischen Sprechers der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Dirk Stettner fasst die Berliner Miet- und Baupolitik der letzten Jahre so zusammen: „Ob verfassungswidriger Mietendeckel, rechtswidrige Vorkäufe, ein Mietenstopp und jetzt Mietobergrenzen nach Einkommen – SPD, Grüne und Linke überbieten sich beinahe täglich mit unerfüllbaren Forderungen und nicht abgesprochenen Vorstößen.“